Wir wollen uns heute die Frage stellen: Wie kommt Mann und Frau zu solchen Urteilen? Warum traut man es dem einen mehr zu als dem anderen?
Um es vorweg zu sagen: Sach-Themen, auf die Politiker selber gerne verweisen, spielen bei dem Prozess der Beurteilung kaum eine Rolle. Ein Grund, dass Söder vorne liegt, kann dem Mere-Exposure-Effekt zugeschrieben werden: Man findet jene Person besser, der man oft in den Medien begegnet. Und da ist Söder omnipräsent: bei Markus Lanz, Maybritt Illner, bei den Tagesthemen, im heute-journal: Immer äußert Söder angriffslustig seine Ansichten, derzeit vor allem zur Einschätzung der Corona-Lage und den von ihm präferierten Maßnahmen.
Ein weiterer Grund: Söder ist größer als Laschet. Sie haben richtig gelesen: fast 25 cm unterscheiden die beiden. Und obwohl wir wissen, dass Körpergröße nichts über die Charaktereigenschaften einer Person aussagt, spielt uns das Unbewusste einen Streich. Es flüstert uns – aufgrund evolutionärer Voreinstellungen – ein: „Wer groß ist, hat mehr Durchsetzungsvermögen!“ In Studien konnte gezeigt werden, dass wir Führungskräfte, die groß an körperlicher Statur sind, bevorzugen. Körperlich große Männer machen tatsächlich oft das Rennen im politischen Wettbewerb. So waren von den 43 US-Präsidenten (bis George H. W. Bush) nur acht kleiner als der Durchschnitt der Landsleute.
Und dann gibt es noch den bekannten ersten Eindruck. Dieser ist wirklich sehr wichtig. Forscher sammelten Fotos von Kandidaten amerikanischer Staatswahlen. Meist geht es in dort, wie bei Laschet und Söder, um nur zwei Kandidaten. Man zeigte freiwilligen Probanden nur eine Sekunde lang Portraits der Kontrahenten. Weil man Bewerber zurückliegender Wahlen wählte, wussten die Leiter der Studie im Vorhinein, wer die Wahl gewonnen hatte. Es wurde dabei darauf geachtet, dass die Versuchspersonen die Politiker aus den anderen Bundesstaaten nicht kannten. Das Ergebnis dieser Studie war erstaunlich: Der entscheidende Faktor war die wahrgenommene Kompetenz, also die Führungsqualität, die man innerhalb einer einzigen Sekunde dem jeweiligen Kandidaten zugeschrieben hatte. Rund 70 Prozent der Wahlergebnisse konnten die Forscher damit korrekt vorhersagen. Der niederländische Sozialpsychologe Ap Dijksterhuis sagt salopp: „Wer am kompetentesten dreinschaut, gewinnt fast immer.“