Date:17. Nov 2010

Zeitenstimme: Arbeit am Bild des Mannes und Vaters

Zeichen der Zeit

Hand

 

In diesen Tagen wird ein neues Heft von GEOWISSEN ausgeliefert. Sein Titel:
Väter- was sie so besonders macht

Nach (sehr guten) Heften über Sexualität, Schulpädagogik und über die Situation der „Jungs“ in unserer Kultur, jetzt also ein Heft über die Bedeutung des Vaters in der Familie. Nachdem die feministische Neubesinnung über Wesen und Rolle der Frau viel dazu beigetragen hat, Frausein „aus ihren ureigensten Quellen“ (Moltmann-Wendel) neu und tiefer zu formulieren, blieb der Mann erst einmal im Hintertreffen. Frühere Mannesbilder haben betont, dass der Mann vor allem seine Stärke und entsprechenden Aufgaben im Bereich des Wissens, Herrschens, Kämpfens, Organisierens, des Sachlichen, Wirtschaftlichen und Wíssenschaftlichen hat. Mehr und mehr ist die Einseitigkeit solcher Aussagen durch das Geist der Zeit/Zeitgeist-Gefüge des kulturellen Bewusstseins der westlichen Welt durchschaut und zum Thema gemacht worden. Ist der Mann früher überwertet worden, so unterbewertet ihn das zeitgenössische kulturelle Bewusstsein eher. Der Mann hat (noch nicht) ebenso zu sich gefunden, sein Leitbild, sein „Ideal“ entdeckt wie die Frau unserer westlichen Gesellschaften.

Er soll sich durch diese ergänzen lassen. Richtiger eigentlich ist: Auch er soll in voller Weise Mensch sein. Zum Menschsein gehört, auch für den Mann, die Gefühlsseite, die Fähigkeit zur Zuwendung, zur Liebe und Zärtlichkeit usw. Die vergangenen Jahrhunderte der Neuzeit (!) haben diese einseitig und abwertend der Frau zugesprochen. Insofern heißt es eigentlich nicht: durch das Weibliche sich ergänzen lassen, als vielmehr durch das Menschliche sich ergänzen lassen, also ganzheitlich menschlich werden -auch für den Mann. .Dabei kann ihm natürlich die Frau in besonderer Weise behilflich sein. Aber es ist nicht etwas typisch Weibliches, worum es hier geht. Sondern es ist, wie gesagt, etwas typisch Menschliches. Behilflich dabei sind dem Mann natürlich auch die Kinder, der Umgang mit Kindern und die entsprechenden Haltungen, die dabei nötig sind bzw. die sich dabei entwickeln. Pater Kentenich hebt auf Grund vielfältiger Beobachtungen hervor, dass es da auch im Mann eine Wurzel im Gefüge seiner Seelenkräfte gibt, die Kindlichkeit bzw. in heutiger Sprache: dass es da ein inneres Kind gibt, das sich artikulieren will und vielfach geheilt werden will.

Auf diesem Hintergrund lässt aufhorchen, wenn die viel verbreitete Zeitschrift GEOWISSEN ihr neues Heft betitelt: Väter. Was sie besonders macht. Wir lesen im Vorwort:

„Noch vor wenigen Jahrzehnten billigte die Forschung Vätern nur eine eher randständige Rolle im Geflecht einer Familie zu. Sie galten vor allem als zuständig für das wirtschaftliche Wohlergehen; zudem noch für das Spielen und Toben mit dem Nachwuchs. Seit einiger Zeit aber haben Wissenschaftler erkannt, dass ein engagierter und sensibler Vater seine Kinder sehr viel stärker prägt als bislang angenommen. Dass er nicht nur männliches Rollenmodell ist, sondern entscheidend sowohl für das soziale und kognitive Gedeihen der Kinder als auch für deren Gefühlsleben. Daher sind Väter für eine positive Kindesentwicklung ebenso wichtig wie Mütter.

Wie wesentlich jedoch die unterschiedlichen Geschlechterrollen der Eltern für den Nachwuchs sind, ist strittig. Vor allem Psychoanalytiker unterstreichen die Bedeutung des Vaters als Mann für die Entwicklung der Töchter und vor allem für die der Söhne. Familienforscher und Entwicklungspsychologen betonen dagegen stärker die Rolle als gleichberechtigten Elternteil, das dem Kind eine zusätzliche Fülle von Anregungen bietet, ihm nahe ist und unterstützt. Sie machen deutlich, dass für das Wohlergehen der Kinder nicht allein die individuelle Beziehung zu Vater und Mutter wichtig ist, sondern das harmonische Miteinander in der Familie, also auch die Verbundenheit der Partner, ihre „triadische“ Fähigkeit. (…)

Hierzulande scheint es für Männer niemals zuvor so erstrebenswert gewesen zu sein, selbst eigene Kinder großzuziehen. Bei Umfragen sagen heute 93 Prozent der kinderlosen jungen Männer, dass sie gern Nachwuchs hätten, Noch1997 äußerten diesen Wunsch nicht einmal 60 Prozent der Befragten.“

Wenn „die“ Wissenschaft so etwas entdeckt, dann darf gesagt werden, dass wer in den letzten Jahrzehnten vor allem junge Männer beobachtete, wie sie mit Kindern, etwa in Fußgängerzonen, umgehen, bemerken konnte, dass sich da vielfach etwas Grundlegendes gewandelt hat. Also auch, hier, wie auch sonst, geht das Leben, das Lebensfühl, das Bewusstsein, das Lebensbewusstsein, das sich im Gefüge aus Geist der Zeit und Zeitgeist (objektiver Geist) ausdrückt, der Reflexion voraus, erst recht der methodischen wissenschaftlichen Reflexion. Diese trägt aber dazu bei, dass mit einer größeren Sicherheit an den entsprechenden Haltungen und Wertungen gearbeitet werden kann.

 

Herbert King