Der Corona-Ausbruch im Gütersloher Fleischbetrieb Tönnies hat in den letzten Wochen eine öffentliche Diskussion ausgelöst: über die Bedingungen, die gerade in Schlachthöfen die Ausbreitung des Virus erleichtert haben, über die industrielle Massenproduktion von billigem Fleisch in Mast- und Schlachtbetrieben im xxxl-Format und über das Konsumverhalten in unserem Land, möglichst billig an den Fleischtheken der Supermärkte das Schnitzel zu kaufen. Und zumindest für eine Zeitlang rückten die skandalösen Lebens- und Arbeitsbedingungen der zumeist osteuropäischen Beschäftigten in den Fokus. Mittlerweile – so mein Eindruck – erlahmt das mediale Interesse, weil andere Themen in den Vordergrund rücken.
Ungerechte und prekäre Arbeitsverhältnisse, unter denen gerade Menschen aus Osteuropa leiden, sind jedoch nicht nur in Großschlachtereien zu finden. Als billige Arbeitskräfte werden osteuropäische Arbeiterinnen und Arbeiter auch in anderen Branchen wie beispielsweise dem Baugewerbe oder in der Landwirtschaft missbraucht und menschenunwürdig untergebracht. All das ist seit vielen Jahren bekannt und hat doch nicht wirklich interessiert. Die Corona-Krise deckt nun Dinge in unserer Gesellschaft auf, vor der viele Menschen in unserem Land – auch wir Christinnen und Christen – gerne die Augen verschlossen haben. Dabei hat gerade Papst Franziskus in den letzten Jahren immer wieder Wirtschaftsformen, die Menschen ausbeuten, als unchristlich gebrandmarkt.
Solche Wirtschaftsformen finden sich jedoch nicht allein in fernab gelegenen Gegenden der Welt, sondern mitten in Deutschland. Die Ereignisse in Gütersloh haben dies schlaglichtartig erhellt. Der Geschäftsführer des katholischen Osteuropa-Hilfswerks RENOVABIS weist daher zurecht daraufhin, dass „jeder, dem an Menschenwürde und Solidarität gelegen ist, sich fragen lassen muss, ob das, was er konsumiert – was er isst, das Ergebnis von Ausbeutung ist. Uns muss bewusst sein, dass unser Konsumverhalten Einfluss auf Arbeitsbedingungen und Löhne hat“ . Das gilt mit Blick auf die Textilfabriken Asiens, die Kaffeeplantagen in Afrika und Lateinamerika und eben auch die deutschen Schlachthöfe.