Foto: pixabay.com
Die Glocken läuten zum Gottesdienst, zur heiligen Messe. Ich fühle mich eingeladen und warte auf den Beginn. Im Gleichklang mit dem Kreuzzeichen beginnt draußen ein Höllenlärm: Der Faschingsumzug unserer Stadt geht in diesem Jahr direkt um die Kirche herum. Beschallung von zwei Seiten. Da schützen auch die dicken Kirchenwände nicht. Also umso lauter singen! Lesungen und Evangelium sprechen davon, sich selbst und andere genau zu prüfen, bevor man urteilt.
Zum Karneval, oder Fasching, wie es bei uns in der Region heißt, schlüpft man in andere Rollen, andere Personen. Einmal im Jahr nicht ICH-SELBST-SEIN. Ob das nun gut oder schlecht ist, möchte ich nicht beurteilen. Leute, die mich aus „alten Zeiten“ kennen, wissen, was ich für ein Faschingsnarr, ein richtiger Jeck ich gewesen bin. Schöne Kostüme tragen, lustige Lieder singen, ja manchmal sogar auf dem Tisch tanzen, hemmungslos für gute Stimmung sorgen… Was waren das noch Zeiten!
Vor ein paar Jahren verstarb mein Großvater kurz vor der Narrenzeit. Meine Fröhlichkeit wandelte sich in Trauer. So blieb ich das erste Mal fern dem Trubel und der Heiterkeit. Auch im darauffolgenden Jahr wollte keine richtige Freude aufkommen. Zwar versuchte ich mitzumachen, blieb aber innerlich irgendwie teilnahmslos.
Augenblicklich sitze ich im Gottesdienst und versuche Andacht in der heiligen Messe zu finden, während die Stimmungslieder draußen ihre Runde machen. Die Formulierung des Paters, „…eine Andere zu Fasching sein…“ trifft meine Gedanken. Ich frage mich, warum ich keine andere mehr sein möchte, warum es mir nicht mehr in den Sinn kommt? Ich fühle, dass ich seit einiger Zeit von der Oberfläche abgetaucht bin. Ein Abtauchen in die Tiefe des Lebens, ein Suchen nach Gott, nach mir selbst. Sicher war der Tod des Großvaters nicht die Ursache, nur ein Anstoß, der Tropfen, der noch gefehlt hatte. Andere Dinge und Lebensweisen erscheinen mir nun wichtiger und tiefgründiger als Karneval. Vielleicht kann man sich nur selber finden, wenn man keine andere sein möchte? Trotzdem bleibt eine Sehnsucht in mir nach der Leichtigkeit des Lebens an der Oberfläche, nach der Schlichtheit grenzenloser Freiheit. Ach, es müsste eine Balance geben zwischen diesen Welten!
In den Fürbitten heißt es: „Befreie mich, Herr, von allem was mich belastet. Lass mich aufrecht gehen.“ Befreiung, frei sein durch Jesus, frei sein mit Gott. Diese Gedanken nehme ich mit hinaus.
Draußen umzingeln mich die Narren. Umgeben von Lärm suche ich einen freien Weg nach Hause. Dort genieße ich die Stille.
Die Texte und Bilder dieser Website sind urheberrechtlich geschützt, aber dafür geschrieben, dass Sie von Ihnen weiterverwendet werden. Siehe Infos!
Das Copyright für alle Teile der Website liegt bei den jeweiligen Autorinnen und Autoren und bei www.spurensuche.de und sind urheberrechtlich als Datensammelwerk geschützt.
Wenn Sie Seiten oder Teile für Ihre Website, ihren Pfarrbrief oder anderweitig verwenden, geben Sie bitte immer den Namen der Autorin bzw. des Autors sowie den Namen unserer Website an.
Die an der Seite angegebenen AutorInnen freuen sich, wenn Sie einen kurzen Kommentar oder eine Information schreiben.
Downloads und Kopien sind nur für den privaten, nicht kommerziellen Gebrauch gestattet.
vom 02. 2015 bis 12. 2022 hatten wir
987.651 Besucher, die
2.164.067 Seiten gelesen haben.