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Die drei Königskinder – oder: Unser Bestes geben
– Eine Erzählung zum Dreikönigstag
In einem fernen Land lebten einmal drei Königskinder. Sie lebten glücklich und zufrieden inmitten der vielen Ritter, Burgfräulein, Diener und Dienerinnen am Hofe ihrer Eltern, dem Herrn König und der Frau Königin. Sie lernten, wie man sich bei Tisch zu betragen hatte, wie man Gäste höflich begrüßte und welche Kleider man an welchen Tagen zu tragen hatte. Doch auch fürs Spielen und Herumtollen blieb ihnen genügend Zeit. Herr König und Frau Königin waren nämlich der Meinung, ihre Kinder sollten nicht nur brav sein, sondern vor allem lebendig, liebevoll und echt. So ging es Tag um Tag, Jahr um Jahr. Auf den Winter folgte der Frühling, dann kam der Sommer und nach dem Herbst stellte sich wieder der Winter ein.
Es wäre wohl immer so weiter gegangen, wenn sich da nicht eines Tages ein geheimnisvoller Gedanke gemeldet hätte. Die drei Königskinder wussten zwar nicht wie, aber er war auf einmal da, mitten im Herzen. Und er wurde immer drängender, besonders des Nachts und in den Stunden der Ruhe und der Besinnlichkeit: Gibt es einen Ort des vollkommenen Glücks? Wenn ja, wo war er? Und was mochte das sein, das „vollkommene Glück“?
Als sie ihren geheimnisvollen Gedanken dem Herrn König und der Frau Königin vortrugen, waren diese nicht wenig erstaunt. Wer wusste Rat? Der Herr König und die Frau Königin riefen alle wichtigen und weisen Ratgeber am Königshof zusammen. Man beratschlagte und überlegte, man diskutierte und debattierte. Doch so sehr man auch dies und jenes erwog, anderes als zu ungewiss wieder verwarf, das Ergebnis war stets gleich: Es gab keine zufriedenstellende, alle überzeugende Antwort.
Ob der bestehenden Ungewissheit beschlossen die drei Königskinder, der Sache im wahrsten Sinn des Wortes nachzugehen und eine Reise zu machen. Irgendwo musste dieser Ort doch zu finden sein. Und so zogen sie los.
Zunächst trafen sie am Rande einer kleinen Stadt eine zierliche, alte Frau. Die Stadtbewohner nannten sie liebevoll die „kluge Dame“. Sie hörte sich die Frage der drei Königskinder geduldig an und meinte dann nach längerem Nachdenken: „Das Glück ist keine Sache, kein Ding, es ist ein Geschehen, also etwas, das sich ereignet – oder auch nicht.“
In der übernächsten Stadt trafen sie einen einfachen Handwerker. Er war ihnen durch seine offenkundige Lebensfreude und Herzlichkeit aufgefallen. „Glück besteht darin, das Leben und alles, was dazu gehört, als Geschenk anzusehen. Wenn wir es erzwingen wollen, läuft es davon.“
Schließlich begegneten sie einem Träumer. „Ihr müsst euch an die Sterne halten. Nicht irgendwelche Sterne, sondern diejenigen, die für euch leuchten, für euch ganz allein!“ Und er erzählte davon, dass er einen seltsamen Traum gehabt habe: Ganz in der Nähe sei ein neuer Stern aufgegangen. Der Grund: Ein Königssohn sei auf die Welt gekommen. Ein echtes Gottesgeschenk. Gott habe sozusagen sein Bestes gegeben. Das sei doch ein großes Glück, oder?
Die drei Königskinder merkten, dass sie möglicherweise bald am Ziel ihrer Reise sein würden. Doch, das wussten sie sehr gut, bei einem Besuch brachte man Geschenke mit. Eines der Königskinder überlegte nicht lange: „Wir bringen einfach unser Bestes mit, unser Wertvollstes, unser Wichtigstes!“
Das erste Königskind sprach: „Mein Bestes sind meine Talente und Begabungen, die Gott mir geschenkt hat. Ich kann gut singen und kann gut Geschichten erfinden. Damit kann ich andere Menschen erfreuen, ich kann sie in eine eigene Welt entführen, damit sie Abstand gewinnen zu den Alltäglichkeiten. Ich kann sie aufbauen und trösten.“
Das zweite Königskind sprach: „Mein Bestes ist Gott und meine Suche nach dem Göttlichen. Ich darf und kann ihm vertrauen. Ich weiß, dass er immer bei mir ist. Er führt und leitet mich, er tröstet und stärkt mich. Er hält immer zu mir, egal was kommt.“
Das dritte Königskind sprach: „Mein Bestes sind meine offenen Ohren und meine einfühlsamen Worte. Ich versuche, mich in andere hineinzuversetzen. Ich versuche, sie zu verstehen, mitzufühlen. So entsteht Gemeinschaft, so wachsen Lebensmut und Zuversicht.“
Voll Freude machten sich die drei Königskinder auf die letzte Wegstrecke. Schon jetzt fühlten sie sich reich beschenkt. Nicht, weil ihnen mit einem Mal alles klar geworden wäre. Das Geheimnis war nicht verschwunden. Doch sie hatten jetzt eine tiefe Gewissheit in ihren Herzen: Das größte Glück wohnt tief in uns drin. Es wird immer dann spürbar, wenn wir uns beschenken lassen und wenn wir unser Bestes geben.
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