21.02.2018
Die österliche Bußzeit, die gerade begonnen hat, ist eine Einladung auf den Weg zu einem guten Leben: zu einer neuen Hinwendung zu Gott, dem Schöpfer, einer neuen Haltung der Bescheidenheit im Umgang mit den Gütern der Schöpfung und einer neuen Hinwendung zum Nächsten als meinem Bruder und meiner Schwester. Das Evangelium (Mt 6), das gleichsam als Überschrift über der Fastenzeit steht, hält für diesen Weg drei Ratschläge bereit: Beten, fasten, Almosen geben. Jede und jeder ist eingeladen, seinen persönlichen Weg durch die österliche Bußzeit zu gestalten. Aber wir sind auch als Gemeinschaft unterwegs. Ich will zu Beginn der österlichen Bußzeit an die Enzyklika „Laudato si“ von Papst Franziskus erinnern, der uns als Gemeinschaft in die Pflicht nimmt. Die Suche nach einem guten Leben muss eine gemeinsame Bewegung werden, indem wir uns alle aufmachen, unser Leben zu verändern in der „Sorge um das gemeinsame Haus“.
1. Beten
Die Ursache für die Ausbeutung der Schöpfung, unter der jeder einzelne Mensch leidet, besteht in einer falschen Grundhaltung gegenüber der Schöpfung, den Pflanzen, Tieren und Menschen. Die Aussage der Schöpfungserzählung „macht euch die Erde untertan“ wird bis heute oft missverstanden. Wir sind im Bewusstsein aufgewachsen, Herrscher der Schöpfung zu sein, berechtigt, sie auszuplündern, sagt der Papst (LS 2). Das gilt für die großen globalen Phänomene, aber beginnt im Umgang der Menschen untereinander und mit den anderen Geschöpfen. Die Krankheitssymptome des menschlichen Herzens zeigen sich in den Krankheitssymptomen der Schöpfung. Wenn der Papst immer wieder an die Rechte der Armen erinnert, gehört die Erde selbst zu den Armen, die aufschreien und ihr Recht einfordern. Wir alle sind Teil dieser Erde; und wenn der Papst eine ganzheitliche Ökologie fordert, geht es um eine spirituell-geistliche Haltung, die wir einnehmen sollen. Wir sind Geschöpfe, und wir nehmen teil am Auftrag, die Schöpfung zu bewahren und zu pflegen. Wenn wir in der Fastenzeit besonders zum Gebet gerufen sind, geht es nicht um eine fromme Stimmung ohne Konsequenzen. Gebet meint die Zuwendung des Geschöpfes zum Schöpfer, wir treten ein in das Gebet der ganzen Schöpfung, das sie dem Schöpfer bringt. Darin erkennen wir unsere Würde, aber auch unsere Grenzen: Wir sind nicht Gott.
2. Fasten
Das Fasten entsteht aus dieser geistlichen Haltung. Der Papst lädt ein zum Ausstieg aus dem „Konsum-Mechanismus“ (LS 203). Das Streben nach immer mehr Besitz, indem der Mensch sich definiert über das Haben, zeigt seine „inneren Wüsten“. Dabei kann sich der Mensch bescheiden, er kann sich über das Sein beschreiben, nicht über das Haben. Ein gutes Leben kann der Mensch in Bescheidenheit und Verzicht finden. Das Fasten soll uns öffnen für unsere Verantwortung gegenüber der ganzen Schöpfung. Daher ist es für das christliche Fasten nicht genug, nur zu fasten, damit es mir persönlich besser geht. Der Mensch, der fastet, der verzichtet, setzt sich Grenzen, um der Umwelt und dem Nächsten zu helfen. Äußere Gesetze helfen hier nicht viel. Es geht um eine „Mystik, die uns beseelt“. Aus dieser Mystik erwächst ein bescheidener Lebensstil, auch über die Fastenzeit hinaus. Das christliche Fasten kann ganz individuelle Wege finden. Während der eine auf bestimmte Lebensmittel oder Konsumgüter verzichtet, setzt ein anderer auf innere Erneuerung inspiriert durch gute Lektüre; wieder andere verzichten auf das Autofahren. Fasten bedeutet, einen eigenen Weg zu finden, der uns dafür sensibel macht, dass wir Menschen werden, die ihre Würde von Gott her finden – und nicht über das Besitzen.
3. Almosen geben
Almosen geben kann für den Almosenempfänger etwas Erniedrigendes ausdrücken. Der andere Mensch ist abhängig und im Almosen wird dies deutlich. Dabei ist diese kleine aufmerksame Gabe schon viel. Beim christlichen Almosen geht es um mehr. Die Grundhaltung hinter der Zuwendung zum anderen ist das Wissen darum, dass wir Brüder und Schwestern sind. Im besten Fall entsteht dort, wo wir als glaubende Christinnen und Christen leben, aus der Menge von Menschen eine Gemeinschaft, in der die Nöte der anderen wahrgenommen werden. In vielen kirchlichen Einrichtungen geben wir Menschen Teilhabe, die sonst am Rande stünden. Über die barmherzige Zuwendung hinaus hat die Kirche – hat jeder einzelne – auch den Auftrag, an soziale Gerechtigkeit zu erinnern und selbst einen Beitrag zu leisten. Darum geht es beim Almosen: um die eigene Verantwortung für das Gemeinwohl. Im letzten müssen wir uns immer fragen: in welcher Welt wollen wir leben, welche Welt wollen wir hinterlassen, welche Werte treiben uns an? Und: was kann ich tun, was darf ich nicht auf andere abwälzen?
Beten, fasten, Almosen geben: drei alte und gute Mittel für ein gutes und menschenwürdiges Leben.
Bischof Dr. Peter Kohlgraf, Mainz
Kommentar aus: basis-online.net