Allerseelen

Gebet

Friedhof Jerusalem - Foto: Kerstin Rehberg-Schroth

Friedhof Jerusalem – Foto: Kerstin Rehberg-Schroth

Beschaulicher Gang über den Friedhof
im Lichtermeer
stimmungsbeladen
manche versteckte Träne …

Und doch mag ich es
herausschreien:
Sie fehlen, Gott,
sie fehlen
diese Menschen, die hier liegen
und auf den anderen Friedhöfen
dieser Welt.

Sie fehlen,
die mir lieb waren
und nun nicht mehr bei uns Lebenden sind;
sie fehlen
die Alten
und die, die viel zu jung gestorben;
sie fehlen
die Kinder, die nicht lebend
aus dem Bauch ihrer Mutter kommen durften.

Die Warum-Frage ist zwecklos,
so sagt man.
Und doch – es liegt mir auf der Zunge, Gott:
Warum? Wofür? Weshalb dürfen sie nicht hier sein?
Sie fehlen! Im Leben! Auf dieser Erde!
Ich mag es herausschreien,
das Leid besonders derer,
denen sie entrissen sind,
das Leid derer,
denen sie fehlen.

Herr, mein Kopf weiß
sie bei Dir geborgen,
weiß sie als
von Dir geliebt,
als Heilige
in Deiner Hand;
ich glaube fest, dass wir
uns einmal wiedersehen werden
bei Dir,
und doch schreit und weint mein Herz
nach denen, die fehlen.

Da höre ich Dich, Gott,
der du mir zurufst:
„Wein‘ deine Tränen bei mir!
Ich fühle mit dir, kenne deinen Verlust,
kenne die Kreuze dieser Welt
und trage sie mit
euch allen.“

Bei Dir Gott,
sind die geborgen, die tot sind,
sind die geborgen, die trauern und weinen,
bin ich geborgen
im Leben wie im Tod
auch heute.

Kerstin Rehberg-Schroth

Gebet Charles de Foucauld