Weihbischof Wilfried Theising, Münster – Vechta

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Bundestagswahl

Noch viereinhalb Wochen bis zur Bundestagswahl. Nach einem bisher eher in der Breite wenig Aufsehen erregenden Wahlkampf, überlagert durch Corona, Flutwelle, Afghanistan etc., scheint nun die heiße Phase eingeläutet zu werden. Wie üblich werden Parolen posaunt, politische Gegner angegriffen, das eigene Programm als allein seligmachend behauptet usw. Wir alle kennen das, es gehört zu einem Wettstreit der Überzeugungen in einer lebendigen und freiheitlichen Demokratie dazu.

Und dennoch hat sich in den letzten Jahren m. E. etwas verändert. Nicht nur rund um den Wahlkampf ist wahrzunehmen, dass Parteien und gesellschaftliche Gruppen statt miteinander eher übereinander im Angriffsmodus reden, sich mitunter bewusst missverstehen und damit Empörungswellen auslösen. Mir scheint, dass man zu vielen Themen nur eine Meinung haben darf, sei es Klimawandel, Corona-Impfung oder Zukunft der Kirche. Je nachdem wie ich mich positioniere, gehöre ich für die einen zu den Bösen und für die anderen zu den Guten. Dazwischen liegt ein Graben, Dialog scheint unmöglich. Unsere Sprache und ihre Worte, die uns Menschen zur Verständigung, zum gegenseitigen Verstehen geschenkt sind, werden angeschärft und nicht selten als Waffe gebraucht.

In einem Sinnspruch, der dem jüdischen Talmud zugeschrieben wird, heißt es: Achte auf Deine Gedanken, denn sie werden Worte. Achte auf Deine Worte, denn sie werden Handlungen. Es wird daher die Frage erlaubt sein, von welcher Gedankenwelt so manche (Wahlkampf-)Rede getrieben ist? Welche Absichten schlummern hinter Worten, die im allgemeinen Meinungsgefecht einander zugeworfen werden? Ist es nicht an der Zeit, sich um ehrliche Einsichten zu bemühen, die eigenen Gedanken daraufhin zu überprüfen, welche Konsequenzen sie für mich und andere haben?

Aus Gedanken werden Worte. Und was Worte bewirken können, ist hinlänglich bekannt. Es gibt die Versuchung des Wortes. Die Versuchung, eigene unselige Absichten dadurch zu vertuschen, indem sie als gut gemeint dahingestellt werden. Es kommt aber nicht auf Meinung an, wenn daraus erzeugte Worte etwas Schädliches bewirken. Das gedankliche Wollen ist entscheidend und wirkt, sowohl zum Bösen wie auch zum Guten.

Am kommenden Sonntag wird in der katholischen Liturgie aus dem Jakobusbrief vorgetragen. Werdet aber Täter des Wortes und nicht nur Hörer, sonst betrügt ihr euch selbst! (Jak 1, 22). Gemeint ist das Wort Gottes, das Wollen zum Guten, was jedem Menschen durch die Schöpfung eingepflanzt ist. Das Wort hören, das Gewissen bilden und ihm folgen, das muss zur Tat führen. Denn am Ende wird nicht gefragt, was wir uns bei all dem gedacht haben, sondern wen wir besucht, bekleidet, beherbergt und versorgt haben (vgl. Mt 25, 35 f.). Am Ende entscheiden die durch das Wort gewirkten Taten. Prüfen wir also in den kommenden Wochen die Worte, die uns im Wahlkampf begegnen auf das, was sie im Handeln bewirken können und schließen wir uns in diese Prüfung selbst mit ein.


Weihbischof Wilfried Theising, Münster – Vechta

Siehe Veröffentlichung: basis-online.net