Die Krone aufsetzen
Es gibt kein eigenes Fest „Mariä Krönung“, auch wenn wir im Rosenkranz beten: „… der dich, o Jungfrau, gekrönt hat.“ Am Hochfest Mariä Himmelfahrt denken wir die Krönung ihres Lebens mit und am Gedenktag „Maria Königin“ – 7 Tage nach dem 15. August, wird der Gedanke der Krönung ebenfalls zum Ausdruck gebracht. Wer eine Krone bekommt, hat damit eine hohe Stellung und Verantwortung übernommen. Das wollen wir sagen, wenn wir im Rosenkranz so beten oder auch bildliche Darstellungen sehen, bei denen eine Krönung Mariens durch Gottvater, Gottsohn und dem Heiligen Geist gezeigt wird. Die Bezeichnung „Himmelskönigin“ oder „Königin der Engel“ assoziiert den Gedanken der Krönung. Viele Altargemälde zeigen diesen Auszeichnung Mariens, auch wenn wir davon nichts in der Heiligen Schrift lesen. „Du bist voll der Gnade“ – diese Mitteilung des Erzengels beinhaltet alles, was die Kirche im Laufe der Jahrhunderte über Maria ausgesagt hat.
Am 15. August ist es wieder soweit, dass wir an vielen Orten uns an diese Erhöhung Mariens erinnern – so auch im Erfurter Dom. Schon seit dem 6. Jahrhundert wird die leibliche Aufnahme Mariens in den Himmel in zahlreichen Texten verkündet und gepriesen. Am 1. November 1950 gab Papst Pius XII in einer Apostolischen Konstitution dieses Dogma bekannt, um damit die alte und allgemeine Glaubensüberzeugung zahlreicher Kirchen und Christen zum festen Bestandteil des Glaubens zu machen. Brauchtum wie die Kräuterweihe wurde dann mit diesem Fest verbunden und der volkskirchliche Akzent verstärkt. In Erfurt läutet die altehrwürdige Glocke GLORISA und manche Bewohner der Stadt sind verwundert, da die große Domglocke ja nur zu besonderen Anlässen läutet. Manche fragen: „Was ist passiert? Ist der Ukrainekrieg zu Ende?“ Leider noch nicht, aber wir tun damit der Stadt kund: Heute ist ein besonderer Anlass zum Wundern und Sich-Freuen. Wer rückfragt, bekommt dann auch eine gute Antwort und Erklärung.
Ein gekröntes Lebenswerk: Das wünschen wir uns alle. Mancher denkt vielleicht, dass er da sehr fleißig sein muss, denn „ohne Fleiß gibt es ja keinen Preis!“ Wenn wir die Gottesmutter Maria dazu befragen würden, dann würde sie uns auf den Gruß des Erzengels verweisen und erklären: „Es ist die Gnade Gottes, die mir geschenkt wurde und mit der ich handeln konnte.“ Unsere erste Aufmerksamkeit muss also immer der Gnade Gottes gelten, die in unserem Leben wirksam ist.
Vielleicht sagt mancher Zeitgenosse, dass er sie noch nicht gespürt hat. Gerade im Gespräch mit Firmlingen und in Firmpredigten versuche ich immer, auf diese Gnade Gottes aufmerksam zu machen, die sich in den vom Apostel Paulus aufgezählten Gnadengaben zeigt und zum Aufbau der christlichen Gemeinden beigetragen hat: Weisheit, Erkenntnis, Glaubenskraft, Krankenheilung, prophetisches Reden, Wunderkräfte, Unterscheidung der Geister und auch Zungenrede. Diese Gnadengaben braucht die Kirche bis heute und muss auch zugeben, dass sie nicht immer zum Zuge kommen lässt. Gerade die prophetischen Reden können durchaus auch anstrengend sein, weil sie zum Umdenken auffordern, wie es die Propheten erwartet haben.
Vor einigen Tagen hatte ich Zeit, ein Buch zu lesen, in dem die Weihnachtsansprachen von Papst Franziskus dokumentiert sind, die er vor den Mitarbeitern der Römischen Kurie gehalten hat. Ihre klaren Worte haben sich auch in den Medien herumgesprochen und wurden veröffentlicht. Auslöser für diese klaren Worte ist für den Papst die Botschaft, dass Gott Mensch geworden ist. Hier ist Maria beteiligt und verdient für diese Bereitschaft zur Gottesmutterschaft hohe Anerkennung, was wir mit dem Fest Mariä Himmelfahrt ausdrücken wollen.
Ich lade dazu ein, auch über die eigenen Gnadengaben nachzudenken und für diese Gaben dann Gott Dank zu sagen. Damit ist ein Weg zu unserer Krönung des Lebens möglich – aber eben allein durch die Gnade Gottes, die uns zum Handeln befähigt und drängt.
Weihbischof Dr. Reinhard Hauke, Erfurt