Wer von einem Freund oder einem nahestehenden Menschen verleugnet wird, empfindet das als tiefen Verrat. Verrat aus Schwäche, aus Opportunitätsgründen oder Egoismus fügt einer Beziehung eine tiefe Wunde zu, die oft nur schwer heilt. Umgekehrt erleben wir es als einen Beweis von Wahrhaftigkeit, Treue und Freundschaft, wenn ein Mensch sich zu uns bekennt.Viele Christen weltweit bezahlen die Treue zu ihrem Glauben heute bitter. In unserem Kulturkreis dagegen wird es oft als unangemessen, ja peinlich empfunden, wenn einer sich leidenschaftlich zum eigenen Glauben bekennt. So mancher vermeidet ein klares Bekenntnis, man könnte es ja missdeuten als Verrat an Toleranz. Die biblische Szene macht deutlich, dass ein Bekenntnis etwas kostet. Nicht immer das Leben, aber doch manchmal Sympathien. In jedem Fall steht unsere „allgemeine Nettigkeitsmoral“ (Bischof Stefan Oster) dem Verleugnen näher als dem Bekennen. Im Gespräch mit Petrus wird klar, dass Jesus dessen Schwäche im Glauben sehr genau kennt. Zugleich vertraut er aber darauf, dass derselbe, der ihn so jämmerlich verleugnet, den Mut zur Treue wiederfindet. Die Tränen des Petrus zeigen, dass er im Grunde seines Herzens ein Bekenner, nicht ein Verleugner sein möchte. Das Wort Jesu: „ Ich aber habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht erlischt. Und wenn du dich wieder bekehrt hast, dann stärke deine Brüder“ , ermutigt und zeigt den Weg. Halbherzige Haltungen können sich ändern, aus Lauheit kann wieder Glaube werden kann. Das Mittel dazu ist nicht Aktionismus, sondern der ehrliche Blick auf sich selbst – und Gebet.
(Joh 13,38)
Bild: Verleugnung durch Petrus – Rinnegamento di Pietro
Kirche Sant’Apollinare Nuovo – Mosaik – Ravenna
zum Bild: >> Verleugnung Ravenna
Viele seien es, die dich grüßen,
dein Vertrauter aber sei nur einer aus tausend.
Willst du einen Freund gewinnen,
gewinne ihn durch Erprobung,
schenk ihm nicht zu schnell dein Vertrauen!
Mancher ist Freund je nach der Zeit,
am Tag der Not hält er nicht stand.
Mancher Freund wird zum Feind,
unter Schmähungen deckt er den Streit mit dir auf.
Mancher ist Freund als Gast am Tisch,
am Tag des Unheils ist er nicht zu finden.
In deinem Glück ist er eins mit dir,
in deinem Unglück trennt er sich von dir.
Trifft dich ein Unglück, wendet er sich gegen dich
und hält sich vor dir verborgen.
Von deinen Feinden halte dich fern,
vor deinen Freunden sei auf der Hut!
Als Freund bleibt mir nur noch die Finsternis. (Psalm 88,19 )
Herr, du Gott meines Heils,
zu dir schreie ich am Tag und bei Nacht.
Lass mein Gebet zu dir dringen,
wende dein Ohr meinem Flehen zu!
Denn meine Seele ist gesättigt mit Leid,
mein Leben ist dem Totenreich nahe.
Die Freunde hast du mir entfremdet,
mich ihrem Abscheu ausgesetzt;
ich bin gefangen und kann nicht heraus.
Mein Auge wird trübe vor Elend.
Jeden Tag, Herr, ruf ich zu dir;
ich strecke nach dir meine Hände aus.
Herr, darum schreie ich zu dir,
früh am Morgen tritt mein Gebet vor dich hin.
Warum, o Herr, verwirfst du mich,
warum verbirgst du dein Gesicht vor mir?
Du hast mir die Freunde und Gefährten entfremdet;
mein Vertrauter ist nur noch die Finsternis.
Das Wort ist glaubwürdig:
Wenn wir mit Christus gestorben sind,
werden wir auch mit ihm leben;
wenn wir standhaft bleiben,
werden wir auch mit ihm herrschen;
wenn wir ihn verleugnen,
wird auch er uns verleugnen.
Wenn wir untreu sind,
bleibt er doch treu,
denn er kann sich selbst nicht verleugnen.
Literaturhinweis:
– Christfried Böttrich, Petrus. Fischer, Fels und Funktionäre. Biblische Gestalten 02 (2013).
– Communio 43 (2014), Christenverfolgung.
– Stefan Oster, Freiheit oder Qual. Der Passauer Bischof Dr. Stefan Oster über Verlockungen, Nettigkeitsmoral und seine eigene Berufung, in: Herzklopfen. Werkheft zur Berufungspastoral 2016, Freiburg, 4-11.
Dein Leben willst du für mich hingeben? Wahrlich, ich sage dir, noch ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen.
[Da sagte Jesus:]
Simon, Simon, der Satan hat verlangt, dass er euch wie Weizen sieben darf.
Ich aber habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht erlischt. Und wenn du dich wieder bekehrt hast, dann stärke deine Brüder. Darauf sagte Petrus zu ihm: Herr, ich bin bereit, mit dir sogar ins Gefängnis und in den Tod zu gehen. Jesus erwiderte: Ich sage dir, Petrus, ehe heute der Hahn kräht, wirst du dreimal leugnen, mich zu kennen.
Dann sagte Jesus zu ihnen: Als ich euch ohne Geldbeutel aussandte, ohne Vorratstasche und ohne Schuhe, habt ihr da etwa Not gelitten? Sie antworteten: Nein.
Da sagte er: Jetzt aber soll der, der einen Geldbeutel hat, ihn mitnehmen und ebenso die Tasche. Wer aber kein Geld hat, soll seinen Mantel verkaufen und sich dafür ein Schwert kaufen. Ich sage euch: An mir muss sich das Schriftwort erfüllen: Er wurde zu den Verbrechern gerechnet. Denn alles, was über mich gesagt ist, geht in Erfüllung.
Da sagten sie: Herr, hier sind zwei Schwerter. Er erwiderte: Genug davon!
Dann verließ Jesus die Stadt und ging, wie er es gewohnt war, zum Ölberg; seine Jünger folgten ihm. Als er dort war, sagte er zu ihnen: Betet darum, dass ihr nicht in Versuchung geratet! Dann entfernte er sich von ihnen ungefähr einen Steinwurf weit, kniete nieder und betete: Vater, wenn du willst, nimm diesen Kelch von mir! Aber nicht mein, sondern dein Wille soll geschehen. Da erschien ihm ein Engel vom Himmel und gab ihm (neue) Kraft.
Und er betete in seiner Angst noch inständiger und sein Schweiß war wie Blut, das auf die Erde tropfte. Nach dem Gebet stand er auf, ging zu den Jüngern zurück und fand sie schlafend; denn sie waren vor Kummer erschöpft. Da sagte er zu ihnen: Wie könnt ihr schlafen? Steht auf und betet, damit ihr nicht in Versuchung geratet.
Während er noch redete, kam eine Schar Männer; Judas, einer der Zwölf, ging ihnen voran. Er näherte sich Jesus, um ihn zu küssen. Jesus aber sagte zu ihm: Judas, mit einem Kuss verrätst du den Menschensohn? Als seine Begleiter merkten, was (ihm) drohte, fragten sie: Herr, sollen wir mit dem Schwert dreinschlagen? Und einer von ihnen schlug auf den Diener des Hohenpriesters ein und hieb ihm das rechte Ohr ab. Jesus aber sagte: Hört auf damit! Und er berührte das Ohr und heilte den Mann.
Zu den Hohenpriestern aber, den Hauptleuten der Tempelwache und den Ältesten, die vor ihm standen, sagte Jesus: Wie gegen einen Räuber seid ihr mit Schwertern und Knüppeln ausgezogen. Tag für Tag war ich bei euch im Tempel und ihr habt nicht gewagt, gegen mich vorzugehen. Aber das ist eure Stunde, jetzt hat die Finsternis die Macht.
Darauf nahmen sie ihn fest, führten ihn ab und brachten ihn in das Haus des Hohenpriesters. Petrus folgte von weitem. Mitten im Hof hatte man ein Feuer angezündet und Petrus setzte sich zu den Leuten, die dort beieinandersaßen. Eine Magd sah ihn am Feuer sitzen, schaute ihn genau an und sagte: Der war auch mit ihm zusammen. Petrus aber leugnete es und sagte: Frau, ich kenne ihn nicht. Kurz danach sah ihn ein anderer und bemerkte: Du gehörst auch zu ihnen. Petrus aber sagte: Nein, Mensch, ich nicht!
Etwa eine Stunde später behauptete wieder einer: Wahrhaftig, der war auch mit ihm zusammen; er ist doch auch ein Galiläer. Petrus aber erwiderte: Mensch, ich weiß nicht, wovon du sprichst. Im gleichen Augenblick, noch während er redete, krähte ein Hahn.
Da wandte sich der Herr um und blickte Petrus an. Und Petrus erinnerte sich an das, was der Herr zu ihm gesagt hatte: Ehe heute der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen.
Und er ging hinaus und weinte bitterlich.
Lied: Johann Sebastian Bach, Johannes-Passion, BWV 245, 14. Choral
Petrus, der nicht denkt zurück.
seinen Gott verneinet,
der doch auf ein ernsten Blick
bitterlichen weinet,
Jesu, blicke mich auch an,
wenn ich nicht will büßen,
wenn ich Böses hab getan,
rühre mein Gewissen.
Mel. Evangelisches Gesangbuch Nr. 88
Zum Werk: http://www.domchor-mainz.de/cms/index.php/dreiklang/133-die-johannespassion-von-johann-sebastian-bach-03-2015
Der Hahnenruf nach seiner physischen, sittlichen und heilsgeschichtlichen Bedeutung.
88. Lieblich ist auch der Hahnenruf in der Nacht nicht bloß lieblich, sondern auch nützlich. Ein guter Hausgenosse weckt er den Schlummernden, mahnt den Wachenden, tröstet den Wandernden, indem er mit hellklingendem Signale es hinausruft: die Nacht ist vorgeschritten. Auf seinen Ruf läßt der Räuber von seinen Nachstellungen: durch ihn läßt selbst der Morgenstern sich wecken und geht auf und erhellt den Himmel. Auf seinen Ruf vergißt der zagende Schiffer der Niedergeschlagenheit, und legt sich aller Wind und Sturm, den sie Abendlüfte häufig anfachen. Auf seinen Ruf erhebt der Frommsinn sich hurtig zum Gebet und geht von neuem an die Übung der [Schrift]Lesung. Auf seinen letzten Ruf wusch selbst der Fels der Kirche [Petrus] seine Schuld ab, die er begangen, ehe der Hahn krähte. Auf seinen Ruf schöpft alles von neuem Hoffnung, des Kranken Schmerz läßt nach, sein Wundweh lindert sich, die Fieberhitze geht zurück, Gefallenen kehrt der Glaube wieder, Strauchelnde trifft Jesu Blick, Irrende führt er auf rechten Pfad. So traf sein Blick den Petrus, und sogleich wich die Verirrung, ward abgetan die Verleugnung, folgte das Bekenntnis. Daß dies nicht zufällig so kam, sondern gemäß dem Ausspruche des Herrn, lehrt die Schriftlesung; denn also, steht geschrieben, sprach Jesus zu Simon: „Es wird der Hahn nicht krähen, bevor du mich dreimal verleugnest“. Richtig: bei Tag ist Petrus standhaft, in der Nacht läßt er sich einschüchtern und fällt vor dem Hahnenruf und fällt schon zum dritten Mal. Man sieht daraus, daß sein Fall nicht in einer unüberlegten Äußerung beim Reden bestand, sondern daß seine Einschüchterung ihren Grund auch im Schwanken des Geistes hatte. Derselbe Petrus indes erstarkt nach dem Hahnenruf, nunmehr würdig, daß der Herr ihn anblickte; denn „die Augen des Herrn ruhen auf den Gerechten“. Er erkannte, daß das Heil nahte, das ein fernes Irren ausschloß, wandte sich vom Irrtum der Tugend zu und fing „bitterlich zu weinen “ an, um mit seinen Tränen den Irrtum abzuwaschen.
89.
Blicke auch uns an, Herr Jesus, daß auch wir unsere Fehler einsehen, mit frommen Zähren die Schuld tilgen und des Sündennachlasses uns würdig machen! Wir haben deshalb absichtlich die Predigt in die Länge gezogen. daß auch uns der Hahnenruf ertöne und dem Prediger dazu verhelfe, daß Du, Christus, die Schuld ihm vergebest, wenn etwa Mangelhaftigkeit in sein Wort sich eingeschlichen hat. Gebt mir doch die Tränen des Petrus, ich will nicht die Freude des Sünders! Die Hebräer weinten, und die Flut teilte sich, und sie zogen befreit durch das Meer; Pharao freute sich, daß er die Hebräer eingeschlossen in seiner Gewalt hatte, und er ward ins Meer versenkt und ging samt seinem Volke unter. Auch Judas freute sich des Lohnes für seinen Verrat, doch gerade mit diesem seinem Lohne erwarb er den Strick, mit dem er sich aufknüpfte. Petrus beweinte seine Verirrung und verdiente die Gnade, anderer Verirrungen zu tilgen.
Aus: Des heiligen Kirchenlehrers Ambrosius von Mailand Exameron. (Bibliothek der Kirchenväter, 1. Reihe, Band 17) München 1914. Der fünfte Tag. Siebte und achte Homilie. (Gen 1,20-23)XXIV. Kapitel. Von den Nachtvögeln.
https://www.unifr.ch/bkv/kapitel568-4.htm
Zusammenstellung: Hansjakob Becker / Anne-Madeleine Plum Dieser Gottesdienst: 5 Qua C in Patmos Vgl. dazu ausführlich: Hansjakob Becker, „Dies große Wort, geschrieben weiß auf schwarz“. Patmos: Begegnungen mit der Bibel im Kontext von Kultur – Liturgie – Spiritualität, in: Pietas Liturgica 16, Tübingen 2015.
* Texte aus der Heiligen Schrift sind entnommen aus der Einheitsübersetzung © 1980, Katholische Bibelanstalt GmbH.