Wenn das Gedankenkarussell sich dreht
Dem Rentner geht es wirtschaftlich gut. Er war Inhaber einer Firma. Er besitzt mehrere Häuser, die ihm regelmäßig Mieteinnahmen einbringen. Aber er ist unglücklich. Er kann den Ruhestand nicht genießen. Schon seit der Jugend machte er sich Gedanken um alles Mögliche. Aber mit Beginn der Corona-Pandemie – und noch einmal verstärkt seit dem russischen Überfall auf die Ukraine im Frühjahr 2022 – grübelt der alte Mann, stundenlang. Ihm gehen Gedanken durch den Kopf, dass er im Krankenhaus behandelt werden muss, wenn ihn das Coronavirus erwischt, dass Präsident Putin Deutschland angreift, dass seine Frau vor ihm sterben wird und er das nicht aushalten kann, dass er zu spät zu einem Termin kommt und der Gesprächspartner deshalb schlecht über ihn denken wird.
Rumination, so lautet der Fachausdruck für das ständige Grübeln wegen aller möglichen großen und kleinen Dinge. Wörtlich kann man den Begriff mit „Widerkäuen“ übersetzen. In unserem Fall geht es um das ständige Wiederholen von Gedanken, ohne dass man es abstellen könnte. Man kann sich vorstellen, dass es einem auf dem Gedankenkarussell schwindelig wird. Und tatsächlich klagen Menschen, die zu krankhaftem Grübeln neigen, oft unter Schwindel, Herzrasen, Verspannungen und Rückenschmerzen.
Die Generalisierte Angststörung, wie die Grübel-Krankheit im Fachjargon genannt wird, ist eine typische Krankheit unserer Zeit: Unsicherheiten und Zukunftsängste nehmen in der modernen Welt zu. So zeigen Studien, dass diese Angststörung in der jungen Generation vermehrt um sich greift. Allein in Deutschland sind rund drei Millionen Menschen davon betroffen. Im Durchschnitt grübeln die Betroffenen mehr als sechs Stunden am Tag (Gesunde machen sich täglich etwa anderthalb Stunden Sorgen). Frauen sind doppelt so häufig betroffen wie Männer.
Wenn Sie selbst stark grübeln oder jemanden kennen, der davon betroffen ist, finden Sie nützliche Hilfen in dem Buch des Psychologen Tobias Teismann „Grübeln, Wie Denkschleifen entstehen und wie man sie löst“, Balance Ratgeber.
Und ob Sie gläubig sind oder nicht, ich empfehle Ihnen allmorgendlich das „Gelassenheits-Gebet“ zu sprechen, das der Theologe Reinhold Niebuhr formuliert hat:
„Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“