Markus Hauck, Würzburg

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Veränderung des Lebensstils

10.10.2018

„Seid fruchtbar und mehrt euch, füllt die Erde und unterwerft sie und waltet über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die auf der Erde kriechen!“, spricht Gott im Buch Genesis zu den Menschen. Von Abwracken ist eindeutig nicht die Rede.

Der Sommer 2018 hat sämtliche Temperatur- und Trockenheitsrekorde seit Beginn der Wetteraufzeichnungen gesprengt. Da passt es wie die Faust aufs Auge, dass der Weltklimarat (IPCC) ein rasches und bisher beispielloses Handeln fordert, um die vereinbarten Klimaziele noch zu erreichen. In Paris haben sich 2015 die Teilnehmer der UN-Klimakonferenz dazu verpflichtet, die Erderwärmung bis 2100 auf zwei Grad zu begrenzen. Eine Ergänzung war dabei besonders wichtig: Es gelte, alles daran zu setzen, die Erwärmung niedriger zu halten, um 1,5 Grad Celsius im Vergleich zur vorindustriellen Zeit.
Für diesen ehrgeizigeren Wert setzen sich besonders ärmere und Inselstaaten ein. Nicht, weil diese den Industrienationen Sand ins Getriebe streuen wollen. Vielmehr hätten gerade die Ärmsten unter steigenden Meeresspiegeln, dürren und den extremen Wetterereignissen ungleich mehr zu leiden als die reichen Länder. Im aktuellen Sonderbericht des Weltklimarats wird betont, dass zwei Grad Erderwärmung nicht einfach ein wenig mehr Wärme mit sich brächten. Die Konsequenzen in Form von geringeren landwirtschaftlichen Erträgen, einem Rückgang der Artenvielfalt und Hitzewellen beträfen alle auf dem Planten.

Im 19. Jahrhundert war die Erde etwa ein Grad kühler. Die aktuelle Steigerungsrate vorausgesetzt, reißt die Erde die 1,5-Grad-Marke spätestens 2052, im schlechtesten Fall bereits im Jahr 2030, sagen die Experten. Die zwei Grad an Erwärmung drohen demnach etwa 2065. Um eine Vorstellung zu bekommen: Zwei Grad Erwärmung würden für den Nahen Osten und Nordafrika bis zu 46 Grad Celsius an den heißesten Tagen bedeuten. Auch in Europa gäbe es jährlich um etwa 20 Prozent mehr Tote in Folge der Hitze.

Kämen die Unterzeichner des Pariser Abkommens ihren Selbstverpflichtungen nach, würde sich unser Globus bis 2100 um drei Grad erwärmen. Klingt fatal. Die gute Nachricht: Mit Hilfe einer technischen Revolution in den Bereichen Landwirtschaft, Industrie, Energieerzeugung und Verkehr kann es gelingen, das Ruder komplett herumzureißen. „Weg von den fossilen Energieträgern hin zu den erneuerbaren Energien, und das innerhalb weniger Jahrzehnte“, fordert der renommierte Klimaforscher Mojib Latif vom Kieler Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung. Das dürfte ein ähnlicher Sprung werden wie vom Pferd zum Auto.

Für Deutschland sagen einige Prognosen eine Erwärmung um etwa vier Grad bis zum Jahr 2100, verglichen mit den Temperaturen des vorigen 20. Jahrhunderts voraus. Damit steigt auch die Wahrscheinlichkeit für trockene Sommer, wie wir in diesem Jahr einen hatten. Klimaforscher berichten, dass das Strömen der Luft auf der Nordhalbkugel seit einigen Jahren schwächer wird. Sie vermuten einen Zusammenhang mit der Erwärmung der Arktis. In Folge gibt es weniger Wechsel zwischen den Hoch- und Tiefdruckgebieten in Mitteleuropa. Das hat zur Folge, dass Hochs sehr lange über einem Punkt verweilen und kein Niederschlag mehr fällt.

Auch wenn die Begrenzung auf den Wert von 1,5 Grad Erwärmung gelingt: Kaum noch eine Überlebenschance gibt es für die Korallenriffe. Auch in diesem Fall sind wohl 70 bis 90 Prozent von ihnen bis 2100 Geschichte. Bei zwei Grad droht das komplette Aus für die Korallen durch die Versauerung der Meere, eine weitere Nebenwirkung der hohen Kohlendioxid-Emissionen.

Man kann unter diesen Vorzeichen alle Menschen, die sich für eine rasche Veränderung des Lebensstils, der zu der Klimaveränderung geführt hat, als Spinner abtun, die Klimaforschung, wie unlängst US-Präsident Donald Trump, als Verschwörung zur Schwächung der Wirtschaft seines Landes bezeichnen – oder den Aufruf des Weltklimarats als Weckruf an jeden Einzelnen verstehen: Bequemlichkeit und Gewinnmaximierung könnten am Ende nicht nur uns Menschen im reichen Westen, sondern die gesamte Menschheit teuer zu stehen kommen. Und allen Generationen nach uns.

Markus Hauck
Leiter der Pressestelle des Bistums Würzburg

Kommentar aus: basis-online.net