Date:27. Jul 2008
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Ich staune

Kunst · Theater · Literatur

Mosaik Ravenna

Foto: H. Brantzen
 

Ich staune, dass die Farbe rot ist,
ich staune, dass die gelbe gelb erglimmt.
Ich staune, dass, was ringsum lebt nicht tot ist,
und dass, was tot ist nicht ins Leben stimmt.

Ich staune, dass der Tag alltäglich nachtet,
wenn ihm das Licht verwest zur Dämmerung.
Ich staune, dass frühmorgens überfrachtet
von Sonnenglück, ein neuer kommt in Schwung.

Ich staune, dass durch alle Lebenssprossen
Das Männ- und Weibliche geschieden bleibt,
und diese Zwieheit niemals ausgenossen,
als Wonne unsre Herzensfluten treibt.

Mein Staunen ist kein Forschen nach dem Sinne.
Mein Staunen ist des Sinnes selbst der Sinn.
Nur durch Erstaunen werd ich meiner inne.
Ich staune, dass ich staune, dass ich bin.

 

Franz Werfel, 1943

 

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