Viele Katholiken sind von Kindheit an gewohnt, sonntags und an bestimmten Feiertagen zur Heiligen Messe zu gehen. Wir haben das von unseren Eltern und Großeltern übernommen; oftmals allerdings nicht wirklich freiwillig, sondern angeordnet. Das hat bei manchem den Eindruck hinterlassen, dass Religion mit Zwang und Druck zu tun hat.
In Gesprächen mit jüngeren Menschen, z.B. in Eheseminaren, kann man bei manchen von ihnen durchaus den Wunsch nach Spiritualität und einem Leben aus dem Geist der Bibel und des Evangeliums feststellen. Es ist eine Herausforderung, sie darin zu ermutigen und konkrete Vorschläge zu machen.
Die Psalmen bieten einen relativ leichten Zugang – Gebete in allen Schattierungen aus der Zeit König Davids: urwüchsig, lebensnah, authentisch, ansteckend. Durch die tägliche Psalmenlektüre kann sich die eigene Gottesbeziehung gut weiterentwickeln.
Nehmen wir z. B. Psalm 139, der so beginnt: “Herr, du hast mich erforscht und kennst mich!” Im ersten Moment könnte einen das Gefühl beschleichen, von Gott quasi „durchleuchtet“ zu sein. Doch die Einstellung ist eine ganz andere: Vertrauen und die Einsicht, dass Gott mehr über mich weiß als ich selbst. Er kennt meine Talente und “Tiefen” – die Verletzungen, Verdrängungen, Abspaltungen. Warum ihm nicht zutrauen, da Licht, Veränderung und Heilung hineinzubringen? Denn: „Du selbst hast mein Innerstes geschaffen … wie kostbar sind mir deine Gedanken!“
Der Platz des Psalms ist mein Gedächtnis mitten im Leben. Wenn ich ihn in Sätzen oder Passagen immer mal wiederhole, wird er mir zum ständigen Begleiter, zum Freund.
Der Psalm schließt mit dem Satz: „Prüfe mich … sieh doch, ob ich auf dem Weg der Götzen bin … leite mich auf dem Weg der Ewigkeit!“ Wenn wir nichts anderes beten würden – ich glaube, das wäre mehr als ein Anfang.