Dr. Gertrud Pollak

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„Einfach. Immer. Alles.“

Hatte ich richtig gehört mitten auf der Autobahn? Ein ernst zu nehmender, solider Radiosender macht solche Werbung? Hieß das „einfach immer alles“? Ein verlockendes Angebot! Die Unsicherheit, ja Neugier, wie das gemeint sein mag, führte zur Recherche im Netz. Es geht um eine neue Mediathek des Senders, der damit wirbt: „Einfach. Immer. Alles.“

Nicht nur die Schreibweise macht nachdenklich – drei mit Punkten getrennte einzelne Begriffe als Rundumangebot. Für eine Mediathek ist das ein hervorragender Slogan. Gelungene Werbung! Doch steckt darin nicht noch viel mehr, was aufhorchen lässt? Beschreiben diese Begriffe nicht offen, was auch untergründig als Mentalität in unserer Gesellschaft zählt und immer mehr um sich greift? Vierundzwanzig Stunden einkaufen per Internet. Ladenöffnung bis Mitternacht und sonntags. Diskotheken offen bis zum Morgengrauen. Nicht nur die großen Anbieter, auch viele Einzelfirmen gewähren den dauernden, schnellen Zugriff zu ihren Waren mit Lieferung am nächsten Tag.  

Immer, zu jeder Tages- und Nachtzeit ist ziemlich alles erreichbar, per Tastatur, ohne großen Aufwand. Gewiss ein Fortschritt – Zeitersparnis, besserer Überblick über mögliche Angebote. Geht dieser Slogan doch für alles?

Wer sich daran gewöhnt, zu jeder Zeit Zugriff zur Erfüllung fast aller Wünsche zu haben, mag glücklich sein. Er oder sie stößt freilich dann an Grenzen, wenn es nicht nur um das geht, was im digitalen Warenkorb Platz hat oder sonst gekauft oder gemacht werden kann. Ist es wirklich „Einfach“, wenn Krankheit plötzlich Schranken setzt oder Beziehungen nicht mehr tragen? Gelingt es „Immer“ Kinder mit Respekt und Freiheit zu erziehen? Es geht nicht „Alles“, weil der Alltag ganz unterschiedliche Grenzerfahrungen bereithält.

„Einfach. Immer. Alles.“ – Das darf nicht abfärben, nicht übertragen werden auf das Leben überhaupt. Warten ist nicht einfach und Haben ist nicht alles. Immer bleiben manche Erwartungen unerfüllt. Der Slogan passt bestens für die Mediathek. Den Anspruch tiefer oder umfassender zu reflektieren, muss diese Werbung nicht erfüllen. Nachdenklich macht sie aber doch – gerade dann, wenn ein gläubiger Mensch mit mehr rechnet, als dass nur seine oder ihre eigenen Pläne zählen und in Erfüllung gehen.

Wer mit Gott rechnet, wer Gottes Spuren und seine Wege sucht, wird es nicht nur „Einfach“ haben und nicht „Alles“ erreichen. Aber „Immer“ wird das Mühen um eine große Offenheit da sein, möglichst gerade das zu entdecken, was nicht ständig, sondern eben jetzt geschieht und sich ereignen soll.
Wie wäre ein Werbeslogan für Menschen, die mit einem Gott des Lebens rechnen? Ob es um weltliche Güter geht oder andere Dimensionen des Lebens: Einfach immer alles mit Gott in Beziehung sehen.

 

Dr. Gertrud Pollak, Mainz
Ordinariatsdirektorin, Dezernentin für Schulen und Hochschulen