Date:02. Mrz 2011

Das Labyrinth der Worte

Kunst · Theater · Literatur

Film

Foto: Website
 

– ein Film von Jean Becker und nach dem Bestseller von Marie-Sabine Roger

aus der Erzählung:

Germain (Gerard Depardieu) geht verschiedenen Jobs nach und pflegt seinen Garten, trifft sich mit seiner jüngeren Freundin Annette, einer Busfahrerin, kümmert sich um seine Mutter, eine laute, streitsüchtige alte Frau, obwohl die es ihm zeitlebens nicht einfach gemacht hat. Germain ist zufrieden mit seinem bescheidenen Leben – er kennt nichts anderes. Arbeit, Gespräche und Dart-Spiele mit Kumpels im Bistro, der Garten, Holzschnitzereien zur Entspannung. Bis er eines Tages im Park Margueritte (Giséle Casadesus, 95!)) trifft, mit Doppel T, wie sie betont. Eine zierliche, elegante, überaus gebildete alte Dame, neben der Germain in seinen karierten Hemden und Arbeitshosen wie ein ungehobelter, aber gutmütiger Elefant wirkt. Sie kommen ins Gespräch, und schließlich liest sie ihrem neuen Bekannten eine Passage aus Albert Camus Die Pest vor.

Schlafen Sie?, fragt Margueritte irritiert. Germain hat aber nur die Augen geschlossen, um dem Text intensiver zu lauschen. Vor seinem inneren Auge läuft ein Film ab zu den Worten, die er hört. Ob er gerne lese, will Margueritte wissen, die das tiefe Interesse ihres Zuhörers spürt. Oh nein, antwortet Germain. Fast Analphabet geblieben, schmerzen ihn bis zum heutigen Tag die Erinnerung an die Schule und den Lehrer, der ihn regelmäßig vor versammelter Klasse lächerlich machte. Sie sind ein guter Leser, sagt ihm Margueritte. Lesen ist auch zuhören. Ganze Bücher liest die alte Dame dem jungen Mann, wie sie ihn nennt. Bücher, die Germain eine neue Welt eröffnen, die er begierig in sich aufnimmt. Macht sein Leben allerdings erheblich komplizierter.

Germain verändert sich. Gebraucht Wörter, die seine Kumpels in der bistro nicht verstehen, hat neue Interessen und verbringt immer weniger Zeit mit ihnen. Er besucht Margueritte in ihrem Zimmer im Altersheim und beschwert sich bei ihr: Sein Leben sei einfacher gewesen, bevor sie sich kannten. Bücher seien nun einmal nichts für Leute wie ihn, an denen die Versprechungen des Lebens vorbeigegangen seien. Es sei zu schmerzhaft, sagt er seiner alten Freundin, durch sie immer wieder daran erinnert zu werden, was das Schicksal ihm vorenthalten habe. Doch kaum hat sie angefangen, aus einem neuen Buch vorzulesen – bezeichnenderweise Luis Sepúlvedas Der Alte, der Liebesromane las – ist er wieder fasziniert und gefangen in dieser neuen Welt, die sich ihm erschließt. Auch für Margueritte ist das Leben, seit die beiden sich kennen, nicht einfacher geworden. Sie verliert zunehmens ihr Augenlicht und kündigt Germain an, dass sie ihm nicht mehr lange wird vorlesen können. Um ihr das Gehen zu erleichtern, schnitzt Germain ihr einen Stock. Vor allem aber übt er, von seiner Freundin ermutigt, laut und flüssig zu lesen.

Schließlich nimmt er all seinen Mut zusammen, leiht aus der Bibliothek ein Buch aus und überrascht Margueritte bei einem ihrer Treffen auf der Parkbank damit, dass er ihr laut vorliest. Als seine Mutter überraschend stirbt, erbt Germain ihr Haus. Bisher hatte er in einem alten Campingwagen auf dem Grundstück logiert. Und wie im Leben manchmal einschneidende Erlebnisse unmittelbar aufeinander folgen, eröffnet ihm seine Freundin, dass sie schwanger sei. Glückloch darüber, will Germain sofort Margueritte davon erzählen. Doch die ist von ihrer an der belgischen Grenze lebenden Familie abgeholt worden. Zunächst allein auf seiner Bank, kommt ihm eine Idee … Mit dem Lieferwagen des Bistros macht er sich auf den Weg zu Marguerittes Familie. Doch der Neffe hat die Tante schon in ein schäbiges, billigeres Altersheim abgeschoben. Welche Freude, als Margueritte und Germain sich dann letzten Endes wiederfinden, er sie kurzerhand im Rollstuhl entführt und mit nach Hause nimmt. Endlich hat er ein Zuhause gefunden – und eine Familie.

aus den Worten:

„Germain nicht dümmer als ihr. Außerdem ist er viel netter“ (Wirtin im Bistró)

„Sie haben ein exzellent auditives Gedächtnis“ (Margueritte) – „Nein, nein, nein, ich kann mir nur gut merken, was ich höre“ (Germain)

„Mit einem Wörterbuch geht man auf Reisen, von einem Ort zum andern – man träumt …“ (Margueritte)

„Ich bin das Kind einer Liebesgeschichte, … na wie alle Menschen“ (Margueritte) – „Nein, nicht wie alle Menschen …“ (Germain)

„Was ist?“ (Germain) – „Sie sind ein ganz besonderer Mensch, Germain!“ (Margueritte)

Darstellende:

Gerard Depardieu, Gisèle Casadesus (Margueritte); darüber hinaus: Maurane, Patrick Bouchitey, Jean-François Stévenin, François-Xavier Demaison, Claire Maurier, Sophie Guillemin

 

Armin Noppenberger

www.labyrinth-derfilm.de