Foto: Hubertus Brantzen
Auf die Frage nach einem wichtigen Zeitzeichen heute werden wohl alle spontan sagen: Das ist eindeutig der Corona-Virus, in jedem Land der Welt. Nie waren sich die Völker in ihren Sorgen und Hoffnungen so nahe wie zurzeit und die Welt scheint tatsächlich auf ein kleines Gebilde geschrumpft zu sein. Niemand darf sich in Sicherheit wiegen.
Ein Zeitzeichen – auch ein Gottes-Zeichen? Schwierige Frage? Abwegige Frage?
In vergangenen Zeiten oder auch heute in manchen Weltgegenden oder auch bei manchen von uns wäre oder ist die Beantwortung der Frage, ob da Gott etwas mit zu tun hat, klar und schnell getan. Strafe Gottes für die sündige Menschheit. Und die hat sich/hätte sich wahrlich vieles vorzuwerfen. Das wird in unserer säkular denkenden Welt niemand so sagen. Oder nur hinter vorgehaltener Hand.
Und doch kann man auch schon mal hören oder selbst eine solche Überlegung anstellen: Es ist sozusagen ein Aufstand der vom Menschen geschändeten, ausgebeuteten, unterworfenen Natur. Der Natur, die, wie Paulus in Röm 8 es formuliert, seufzt, stöhnt, weint und wartet, in der Hoffnung auf die Kinder Gottes, die sich ihrer erbarmen werden. Ein ökologischer Gesichtspunkt, eine sehr mystische (natürlich-übernatürliche) Sicht der Dinge.
Und dann immer wieder und vor allem begegnen wir als Deutung der Aufforderung, uns mehr auf das eigentlich Wesentliche zu besinnen, auf die menschlichen Beziehungen in Ehe, Familie und Freundeskreis. Die Bedeutung der Nächstenliebe und Solidarität wird hervorgehoben. Und viele Zeichen davon sind bei Alt und Jung zu beobachten. Die Pandemie sei ein Übungsfeld für unsere Nächstenliebe, auch ein Examen auf diese, so unser Bundespräsident.
Und dann immer wieder der Hinweis, dass dieser allzu stolze moderne Mensch sich mehr bescheide, bemerke, dass nicht alles machbar ist. Ein Gesichtspunkt, der mich eher stört. Warum soll der Mensch denn nicht machen, was er kann. Es müsste noch sehr viel mehr getan werden und erreicht werden bei all der Not in unserer Welt. Doch lernen, das Gemachte und zu Machende in den Dienst der Mit-Menschen zu stellen, ist angesagt. Aber ob der heutige Mensch so stolz ist, wie da angeprangert ist. Ob er nicht vielmehr mit Gefühlen der Minderwertigkeit, der Nutzlosigkeit, der Ohnmacht zu kämpfen hat und mehr als Schelte Ermutigung braucht. Denn auch dies wird zeichenhaft sichtbar in der Krise.
Auffällig, auch dies eine der „Fasern“ im Zeitzeichen Pandemie. Vielfach werden, mehr als sonst, oder überhaupt, Menschen, meistens sind es Frauen, gelobt, geehrt, hervorgehoben die da Dienst tun und ihre Gesundheit vielfach dabei riskieren. Solches könnte natürlich auch mehr oder überhaupt geschehen, wenn mal gerade nicht eine Pandemie herrscht.
Ein weiteres Motiv, auch dies ein Motiv, tatsächlich aller Zeiten und Zonen: memento mori. Gedenke, dass du sterblich bist. Der Tod ist Thema, jeden Tag wird genau die Anzahl der an der Pandemie Gestorbenen in aller Welt gezählt und bekanntgegeben.
Vielleicht sind es gar nicht mehr, als sonst auch sterben. Doch es wird sichtbarer, bewusster. Man rechnet mehr damit, der Tod ist gegenwärtiger. Und da vielleicht eine wichtige Lehre und Neuorientierung: Den Tod fürchten oder den Tod gläubig, gelassen erwarten, auf ihn zugehen, auch als junger, gesunder und erfolgreicher Mensch, wie es manche der österlichen Gebete uns vorbeten: „Lass uns eines Tages voll Jubel und Dankbarkeit dir entgegeneilen.“ Ich persönlich will diesen Satz einmal auf meinem Totenbrief stehen haben.
Ende, Scheitern, aus dem Leben und den Beziehungen gerissen werden. Memento mori – gedenke, dass du sterben wirst. Das hat zunächst einen düsteren Beiklang. Und wäre nicht die bewusste, seinsmäßige Allgegenwart des möglichen Todes ein guter Anlass, ein Wink Gottes, da einmal sich zu fragen: Ist unser Leben denn tatsächlich überhaupt ein Sein zum Tod, wie es ja meistens, immer einfach in Kurzform genannt wird. Oder ist es nicht doch, sehr viel mehr, doch nicht eigentlich gewusst oder gar bewusst ein Sein zu einem größeren, erfüllteren reicheren Leben. Müsste es am Aschermittwoch nicht heißen. Gedenke, dass Du ein ewiges, immer mehr sich erfüllendes Leben hast? Statt: Gedenke, dass du Staub bist und zu Staub werden wirst. Ein zutiefst rein materialistisch unchristlich-unmenschlicher Satz. Doch seit Jahrhunderten wird er Jahr für Jahr in oft sehr besuchten Gottesdiensten den Menschen als wichtige Botschaft der Kirche zugesagt. Und wir wundern uns, dass Christsein, in einer Zeit, in der die Menschen – Gott sei Dank – sich mehr und mehr ihrer Würde bewusst geworden sind, immer unattraktiver werden.
Jahrhundertelang hat man dem Menschen richtig Angst gemacht, wenn er auf das Leben-danach zu blicken hatte.
Wenn ich gelegentlich einer Trauung vorstehe, dann begegne ich dort dem Satz. „Bis dass der Tod euch scheide.“ Ich formuliere es dann so: Bis das, was wir Tod nennen, euch noch endgültiger verbinden wird. Euch zugesagt in dieser Feier, diesem Sakrament, das ihr heute auf einem Höhepunkt (Hoch-Zeit) Eures Lebens erlebt, vollzieht, euch spendet…
Wie sind denn unsere Jenseitsvorstellungen. Vor wenigen Jahren erschien (von dem Soziologen Ebertz) eine Doktor-Arbeit mit dem Titel: Zivilisierung unserer Jenseitsvorstellungen. Anders ausgedrückt: Vermenschlichung, Humanisierung unserer Jenseitsvorstellungen. Wie menschlich, aber auch wie real sind diese?
Vor noch nicht langer Zeit war auf einer meiner Tagungen eine Dame in mittleren Jahren, deren Ehegatte kurz zuvor abrupt aus dem Leben gerissen war. Die Teilnehmer an der Tagung, die sich alle sehr kannten und sich nahe standen, nahmen zutiefst Anteil an dem Ganzen. Ich hatte da einen Text dabei, in dem davon die Rede ist, dass die Toten weiterhin bei uns sind und wir mit ihnen sprechen und verkehren können. Der Text schlug wie ein Blitz in die Gruppe ein. Eine große Freude brach auf. Der „abrupt aus dem Leben Gerissene“ ist ja noch da. Er ist gar nicht weg. Warum hat man uns dies nicht früher gesagt? Oder überhaupt gesagt?
Eine wichtige persönliche Erfahrung war für mich war auch das Verhalten von Menschen beim Sterben von Pater Joseph Kentenich, des Gründers der Schönstatt-Bewegung. Ich erlebte, dass man sich irgendwie scheute von Tot und Sterben zu reden. Er lebt, lebt weiter, jetzt endlich hat er Zeit für mich, für uns. Und ein ihm sehr Nahestehender sagte: Damals sagte ich zum ersten Mal Du zu ihm.
War das nicht auch das Erlebnis derer, die den Tod Jesu bedauerten und erlebten: Er lebt. „Jesus lebt, Jesus lebt“ singen wir fast beschwörend und irgendwie jubelnd in einem unserer Kirchenlieder.
Tod, Weiterleben etwas mehr in „mexikanischer Perspektive“. Es ist uns ja wohl bekannt, wie realistisch in Mexiko das mit dem ewigen Leben aufgefasst, ja erlebt wird.
Vielleicht ist die Pandemie eine Einladung Gottes, unsere Jenseitsvorstellungen ganz allgemein zu überprüfen und da ein neues Lebensgefühl grundzulegen.
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