Zeitenstimme sexueller Missbrauch

Zeichen der Zeit

Labyrinth

 

von Kindern und Jugendlichen durch Priester

Die ganze Nation beschäftigt zur Zeit das Thema sexuelle Übergriffe auf Jugendliche einiger Priester. Um es gleich zu sagen: Da ist nichts zu entschuldigen. Jeder Täter ist einer zu viel. Ebenso kann nicht die Unachtsamkeit oder auch Hilflosigkeit von Vorgesetzten entschuldigt sein.

Es sollte jedoch durch den Fall des Missbrauchs Jugendlicher an renommierten katholischen Privatschulen insgesamt der Blick auf das Phänomen des sexuellen Missbrauchs gelenkt werden. Und es wäre ein grobes und auch sehr ungerechtes Fehlverhalten der Öffentlichkeit und ihrer Medien, wenn dies nicht geschähe, sondern einseitig die katholischen Priester ins Visier genommen würden/werden.

Da will ich die Wochenzeitung “Die Zeit” wieder einmal hervorheben, die sich auch diesem Thema in gewohnter Umsichtigkeit und mit weitem Horizont stellt. Ich zitiere aus der Ausgabe vom 11. Februar 2010, Dossier:

“Der Berliner Psychiater Kröber kann in den Zeitungen seiner Stadt jetzt täglich seitenweise lesen, was zwei oder drei Jesuiten vor dreißig Jahren im Canisius-Kolleg angerichtet haben – aber kaum einen Artikel darüber, dass es seither offenbar keine Übergriffe mehr gab. Das hält er für Heuchelei. ‘Jeder weiß, dass sexuelle Belästigung von Kindern an allen Schulen der Republik vorkommt.'” 210 000 Übergriffe seit 1995 sind deutschlandweit polizeilich gemeldet (ebd.).

“Kröbers Schlussfolgerung: ‘Der durchschnittliche deutsche Mann wird mit 36-mal größerer Wahrscheinlichkeit übergriffig als der katholische Priester.'” Kröber – so Die Zeit – ist Psychiater in Berlin, Mitglied der evangelischen Kirche und Atheist und Gesprächspartner des Papstes in der Frage des sexuellen Missbrauchs durch Priester.

Doch soll gesagt sein, dass es nicht leicht ist, mit dem Thema strafrechtlich, psychologisch und pädagogisch umzugehen. Sollen die Väter (und auch einige Mütter), ältere Brüder, Verwandte, gute Bekannte, die sich solcher Taten schuldig machen, alle ins Gefängnis? Und die, die sie nicht anzeigen, mit dazu? Wieviel Vertuschung darf sein? Wieviel soll/darf “privat” ausgemacht werden? Die oben genannte hohe Zahl bezieht sich lediglich auf die polizeilich gemeldeten Fälle. Man muss davon ausgehen, dass die meisten Fälle sowieso nicht polizeilich gemeldet werden.

Wichtig ist jedenfalls eine öffentliche Debatte über das Thema insgesamt in all seinen Aspekten. Und eine entsprechende Bewusstseinsbildung. Die Folgen von Missbrauch sind einfach zu schlimm für die Persönlichkeitsentwicklung der Opfer.

Herbert King