Weihbischof Wilfried Theising, Münster – Vechta

Ein Vater nimmt seine kleine Tochter auf den ArmFoto: pixabay.com

Der Vater

Der Vater. Im Familienkontext wohl die Rolle, die sich in den letzten einhundert Jahren am stärksten gewandelt hat. Von der absoluten Autorität und dem Disziplinierer über den Beschützer und Ernährer zum Partner auf Augenhöhe und Begleiter und Förderer der Kinder. Dabei waren und sind die Rollen nie ganz trennscharf und so manche Suchbewegung schwingt heute ebenfalls mit.

Der Vater scheint gesellschaftlich zumindest so bedeutsam, dass ihm vermeintlich ein Feiertag gewidmet ist. Morgen ist VatertagUrsprünglich vor Jahrhunderten von Guts- und Grundbesitzern dafür genutzt, ihre Ländereien zu umschreiten und vermessen, wurden später dann feuchtfröhliche Bollerwagentouren vagabundierender Männergruppen daraus. In diesem Jahr wird es damit allerdings wohl nichts. Ich vermisse es nicht, wenn auch die Möglichkeit zur unbekümmerten Zusammenkunft mir sehr fehlt.

Morgen jedoch ist noch ein anderer Vatertag. Christi Aufnahme zu seinem Vater im Himmel, kurz Christi Himmelfahrt. Der irdische Jesus kehrt nach Sterben, Tod und Auferstehung zu seinem Vater zurück. Der Vater nimmt ihn nach dessen Sendung, Leben, Lieben und Leiden wieder bei sich auf. Sicher keine Familienzusammenführung in menschlicher Hinsicht, und doch strahlt dieses Glaubensereignis etwas aus, was uns im Innersten anspricht. Der Vater gibt seinen Sohn nicht verloren, nicht einmal im Tod. Er hebt ihn aus der dunkelsten Tiefe empor und zieht ihn an sich, damit er bei ihm ist, eins mit ihm. Himmlisch!

Nun mag sich der eine oder andere irdische Vater nach Genuss manch geistigen Getränks am Vatertag wie im Paradies fühlen, es folgt jedoch zwangläufig Ernüchterung. Auf andere Weise ebenso die Jünger, die Jesus in den Himmel auffahren sehen und ernüchtert zurückbleiben. „Was steht ihr da und schaut zum Himmel empor?“, werden sie von Engeln gefragt. Statt dem Gefühl von Desillusionierung zu erliegen sind der Rückgriff auf Erfahrung und Vertrauen gefragt. Es gibt ein Vorbild, Jesus Christus und seine Botschaft. Es gibt Vorbilder, Väter und Mütter, deren Liebe und Annahme Kinder zu starken Persönlichkeiten reifen lassen. Es gibt den Vater im Himmel, mütterlich und väterlich in allem uns liebend nahe.

Mir gefällt ein Vatertag, an dem Väter, Mütter und Kinder, an dem Familien zusammenkommen, um miteinander zu sein, sich zu stützen und zu stärken. Dann strahlt etwas aus von Christi Aufnahme zum Vater, von ihrem Einssein.

Ich wünsche allen einen segensreichen Himmelfahrtstag, der in jeder Beziehung ein Tag des guten Vaters ist und wird.


Weihbischof Wilfried Theising, Münster – Vechta

Siehe Veröffentlichung: basis-online.net