Date:25. Apr 2018

Weihbischof Rolf Steinhäuser

Foto: RPI Graz

„Frühling lässt sein blaues Band wieder flattern durch die Lüfte“, so beginnt eines der ganz wenigen Gedichte, die ich auswendig kann. Eduard Mörike schrieb es im Jahr 1829.

Oh, ich habe in diesem Jahr so auf den Frühling gewartet. Jeden Tag bin ich in den Garten gegangen, um dem „blauen Band“ meiner Krokusse beim Wachsen zuzusehen. Es ging so quälend langsam. Temperaturen nur kurz über dem Gefrierpunkt hielten das Wachstum zurück. Und auch bei uns im Dom in Köln haben wir noch lange jämmerlich gefroren.

Als ich im Garten Zweige für meinen Osterstrauß schneiden wollte, habe ich lange suchen müssen. Mit ein paar kümmerlichen Forsythienzweigen, die sich erst im warmen Wohnzimmer zum Blühen überreden ließen, musste ich Vorlieb nehmen.   

Und dann: geradezu eine Explosion der Blüten und der knospenden Triebe.

Wir wurden mit einer Reihe von wunderbar warmen Tagen beschenkt. Schon Sommer im Frühjahr. Und ich hatte noch gar nicht realisiert, dass der Frühling mit Macht ausgebrochen war. „Himmel und Menschen“ auf der Domplatte. Alle wollten an die Luft, um ihre weiße Haut den Sonnenstrahlen hinzuhalten in der Hoffnung auf ein wenig Farbe.

Und dann war ich eigentlich schon viel zu spät dran, um den Oleander von seiner Winterverpackung zu befreien. Mit einem Mal war alles grün, Magnolien und Rhododendren blühen, der Flieder kommt. Der Giersch allerdings auch. Üppig wuchert er überall, wo er Platz findet. Die Pfingstrosen werden von ihm fast erstickt.

Beim Jäten muss ich aufpassen, dass ich nicht alle Blumen mit ausreiße. Aber so ist das wohl mit dem „Unkraut unter dem Weizen“. Manches muss man bis zur Ernte wachsen lassen. Ob der Herr damit auch den Giersch meinte? Das Frühjahr ist für mich eine so trostreiche Zeit. Es kommt so sicher nach jedem Winter.

Ich weiß schon, dass es im Leben der Kirche und auch der Menschen keine zyklische Wiederkehr des Frühlings gibt, so als ob man nur zu warten brauchte, bis alles wieder grünt und blüht.

Das Leben der Kirche verläuft linear von Ostern bis zum Jüngsten Tag. Die Kirchengeschichte steht nicht für kontinuierliches Wachstum, eher für Leben durch den Tod hindurch.

Wir dürfen hoffen, wir dürfen auch säen, pflanzen und düngen, aber das Wachstum liegt nicht in unseren Händen. Ich vertraue allerdings, dass in der Kirche eine enorme „Grünkraft“ lebt, die an Ostern zum Durchbruch gekommen ist: Leben durch den Tod hindurch.

 


Weihbischof Rolf Steinhäuser, Köln