„Seelische Nöte in den ersten Lebensjahren erklären den Autoritätsglauben von Populisten“. So der Erfolgsautor Herbert Renz-Polster. Siehe Der Spiegel vom 23.3.2019, 44. Daraus einfach einige Zitate.
Ein Artikel, der menschliches Verhalten auf beschädigte bzw. heile Kindheiten zurückführt. Wir lesen:
„Die Familie ist das erste politische System, das wir Menschen kennenlernen. In ihr prägt sich die Sicht auf alle Themen, die wir auch als Gesellschaft verhandeln. Wer hat die Macht? Erlebe ich mich als ohnmächtig oder wirksam, fühle ich mich zugehörig oder ausgeschlossen? Diese Fragen sind die Grundpfeiler der Kindheit – und die Antworten darauf sind entscheidend für die weitere Entwicklung.“
Und weiter:
„Fehlt einem Kind das innere Erleben der Zughörigkeit, Anerkennung und Sicherheit, bleibt ein Vakuum. Äußere Angebote, die Ersatz versprechen, werden dann attraktiv, rechtspopulistische Botschaften finden einen idealen Haftgrund, schließlich drehen sie sich zentral um Macht, Sicherheit und Zughörigkeit. Sicher gebundene Kinder hingegen erwerben eine innere Stärke und Unabhängigkeit, die sich mit autoritären Strukturen nicht verträgt. Natürlich entwickeln sich nicht alle Kinder mit frühkindlichen Defiziten zu autoritären Persönlichkeiten. Manche können die frühen Bindungsdefizite dank günstiger Umstände auch ausgleichen. Aber der elementare seelische Mangel kann die Psyche dermaßen verletzen, dass sich das vermeintlich unumstößliche Weltbild von Rechtspopulisten wie ein Pflaster drauflegt. Es verspricht eine spätere Kompensation für die frühkindlichen Gedeihstörungen. Das gleiche Muster lässt sich auch bei Anhängern von anderem autoritären Gedankengut beobachten, bei Sektenmitgliedern, gewaltbereiten Salafisten oder Hooligans“.
Von Breivik, der in Norwegen 77 Menschen getötet hat, die meisten davon Jugendliche in einem Feriencamp, wissen wir: Die Mutter hatte ihn eigentlich abtreiben wollen. Es kam dann nicht dazu, aber Breivik ist mit diesem Wissen aufgewachsen. Die veröffentlichten psychiatrischen Befunde zeigen, dass er sich immer abgelehnt und in seiner Existenz bedroht fühlte. Das hat sich mit entsetzlichen Folgen bis in sein Erwachsenenalter fortgesetzt.
Weiter:
„Um mit gesellschaftlichen Umbrüchen und Krisen produktiv umzugehen, braucht es eine gefestigte und dennoch wandlungsfähige Persönlichkeit wie sie ein sicher gebundenes Kind entwickelt. Bei Menschen mit Bindungsdefiziten hingegen aktiviert die Globalisierung das frühkindlich erlebte Unsicherheitsgefühlt (…) Die politischen Entwicklungen in Deutschland sind ohne den Blick auf die Kindheiten der jeweiligen Generationen kaum zu verstehen.“
Weiteres Beispiel:
„ Und als mit dem Ende der DDR die vertraute äußere Ordnung wegfiel, fehlte vielen Menschen genau jener innere Kompass aus Selbstvertrauen und Selbstsicherheit, der ein Menschenkind durch verwüstetes Gebiet führen kann.“
„Wir müssen unseren Kindern eine Kindheit geben, in der es um menschliches Wachstum und die seelischen Bedürfnisse geht – und nicht um Auslese oder Wettbewerb. Wenn wir weiter die Schulnoten oder ein erwünschtes Verhalten ins Zentrum unserer Aufmerksamkeit rücken, ziehen gerade jene Kinder, die in ihren Familien belastet sind, die Nieten. Wir müssen uns bewusster machen, dass Kinder ein Umfeld brauchen, in dem sie reifen und nachreifen können- und dass stabile Bindungserfahrungen ihnen dabei die größten Chancen bieten. Die Zukunft ist immer ungewiss, das gilt heute vielleicht mehr denn je. Umso wichtiger ist es, dass ein Kind das Vertrauen erwirbt, sie angstfrei gestalten zu können.“
Auf diesem Hintergrund erstaunt nicht, dass seit einigen Jahren immer neu ein Buch auf den Bestsellerlisten steht wie: „Das Kind in Dir muss Heimat finden. Der Schlüssel zur Lösung (fast) aller Probleme.“ Es ist inzwischen bei der 30. Auflage. „Wir alle sehnen uns danach, angenommen und geliebt zu werden. Im Idealfall enjtwickeln wir während unserer Kindheit das nötige Selbst- und Urvertrauen, das uns als Erwachsene durchs Leben trägt. Doch auch die erfahrenen Kränkungen prägen sich ein und bestimmen unbewusst unser gesamtes Beziehungsleben.“ Die Autorin Stefanie Stahl erkundet in ihrem Bestseller Wege, wie auch Heilung des „Schattenkindes in uns“ , notwendig, nützlich oder auch möglich ist.