Date:02. Okt 2014

Therese von Lisieux

Hingeschaut

Buchcover: Andreas Wollbard, Therese von Lisieux

Bild: Cover des Buches

So manche Biographie der heiligen Thérèse von Lisieux hat sie für die eine oder andere Richtung vereinnahmen wollen, manche Kritik an ihrer Zeit und deren Frömmigkeitsstil wurde in sie hineingedeutet. Die Biographie von Andreas Wollbold zeigt ein facettenreiches Bild:

1. Thérèse Martin sieht sich und jeden anderen Menschen als Geheimnis. Die Vorliebe für ein zurückgezogenes Leben hat sie wohl auch ein Stück von ihrem Vater, den Thérèse sehr liebte. Louis Martin war Uhrmacher und Juwelier. Er liebte die Einsamkeit, Wandern und Angeln in der Natur, hatte eine Vorliebe für romantische Literatur und war tief religiös. So zieht sich auch Thérèse gern zurück. Sie liest leidenschaftlich gern und sie betet gern. Am liebsten nicht vorgegebene Gebete, sondern frei, ein innerliches Herzensgebet. Die Erkenntnis, dass nur Gott allein uns vollkommen kennt und vollkommen liebt, zieht sie zu Gott hin. Sie schreibt: „Jesus allein liest  im Tiefsten der Seele.“ „Gott allein kann mich verstehen“.

2. Gleichzeitig ist Thérèse aber ein temperamentvolles, manchmal dickköpfiges Mädchen. Sie erfindet und erzählt gern Geschichten, kann andere Menschen so gut imitieren, dass sie die Zuhörer zum Lachen bringt. Sie hat nicht nur eine gute Beobachtungsgabe, sondern auch Phantasie und schreibt gern. So schwer es ihr fällt, sich an auswendig gelernte Regeln – und sei es die Rechtschreibung – zu halten, so sehr wird ihr eigener Stil gelobt. Sie schreibt Gedichte, Liedtexte und Gebete. Und verfasst sogar im Kloster acht Theaterstücke, die zu festlichen Anlässen in dem sonst so strengen Karmel von den Novizinnen aufgeführt werden.

3. Sie schätzt die Einfachheit. Und damit meint sie vor allen Dingen: Ungekünstelt-sein. Sich so geben, wie man ist, nicht aufgebläht etwas vorzugeben. Und diese Einfachheit ist für sie auch ein Maßstab für Formen der Frömmigkeit. Beispielsweise für die Verehrung Marias. So schreibt Thérèse: „Ist es nicht viel schöner, die Mutter Gottes so zu sehen und zu verehren, so wie sie wirklich ist, ihre Tugenden und ihren Glauben, einfach und nachahmbar?“

4. Ein weiterer Zug ihrer Persönlichkeit ist ihre Jugend und Jugendlichkeit, sie ist selbstbewusst und verletzlich, unbekümmert und manchmal zu temperamentvoll für ein Kloster. Trotz oder wegen ihrer Jugend und Zartheit ist sie eine selbstbewusste junge Frau. Heiligkeit besteht für sie allein in der Liebe, nicht in einem angepassten Verhalten.
Gerade diese Vielfalt ihrer Persönlichkeit macht die heilige Theresia zu einer Heiligen für unsere Zeit.

Anne-Madeleine Plum