Date:29. Feb 2012

Nebeneinander von Säkularisierung und Sakralisierung

Zeichen der Zeit

Steinfrau am Meer


Ein Beitrag zum Projekt Neuevangelisierung

 Wir erleben, in unterschiedlicher Stärke, unsere Zeit als eine säkularisierte Zeit. Dazu haben die Wissenschaften der Neuzeit das Ihrige beigetragen. Aber ebenso auch ein entsprechendes Lebensgefühl. Säkularisiert erscheint die Schöpfung insgesamt, aber auch der Mensch und seine Beziehungen. Ich verweise auf den säkularen Humanismus, dem wir überall begegnen: Menschen, die gut sein wollen und sind, ehrenamtlich sich betätigen, offen sind für die Not der anderen, freundlich und umgänglich. Und darin ohne jede religiöse Motivation persönliche Erfüllung finden. Menschsein ist Gutsein. Es ist befriedigender, gut zu sein als schlecht. Ja Religion kann da als Verrat am Menschen erlebt werden, wenn sie sagt, dass wir den Menschen um Gottes willen lieben sollen und nicht des Menschen wegen und sowieso alles Gnade ist. Außerdem hat Religion für viele den Geruch, dass sie es nicht so recht ermöglicht, wirklich tolerant zu sein. Und dass sie Menschen schafft, die ständig daran sind, Fehler anzuprangern, statt das Gute zu sehen, hervorzuheben und es dadurch zu stärken.

Gegenüber dem Säkularismus versuchen Theologie und Philosophie, den Gottesglauben dadurch zu schützen oder ihm einen Platz zu geben, dass sie ihn sozusagen aus allem Irdischen und Menschlichen raushalten. Gott ist der ganz Andere. Natürlich ist er dies. Jedoch trägt eine solche Sicht, auf ihre Weise zur Säkularisierung aller Lebensverhältnisse.

Und doch können wir sagen, dass unsere westlichen Gesellschaften auch gleichzeitig sakralisiert sind. Beides lebt nebeneinander: Säkularismus und Sakralismus. Da hat die starke, überstarke Strömung der Esoterik mitgearbeitet und speziell bei akademisch Gebildeten eine Art seelische Grundierung hinterlassen. Mitgeholfen hat dabei die zum Teil äußerst enthusiastische Begegnung mit Religionen anderer Kontinente. Wichtige Worte unserer Kultur (man sollte es nicht glauben) sind mystisch, spirituell, religiös. Gott wird dabei mehr unpersönlich als Kraft, als Numinoses, als “Göttliches” erlebt. Tendenziell sieht diese Art des Umgangs mit dem Religiösen dieses mehr immanent. Gott ist der/das ganz Andere. Ganz anders aber im Sinn der Nähe. Sodann ist als Charakteristikum zu nennen der pantheisierende Grundgeschmack. Mehr als rational ist sie irrational, erfahrungsorientiert, bildhaft. In vielfältigen Formen einer “vabundierenden” Religiosität sind diese Phänomene anzutreffen. Unserer wissenschaftlichen Theologie und Philosophie sind solche Phänomene eher suspekt. Jedenfalls können sie damit nicht so recht umgehen und schütten das Kind sozusagen lieber gleich mit dem Bad aus, als Sichtweisen zu entwickeln oder zuzulassen, wie damit umgegangen werden kann. Es liegt der Theologie – so scheint es – insgesamt mehr, die Transzendenz Gottes zu betonen als seine Immanenz. Letztlich geht es um die klassische Frage der Verbindung von aus der menschlichen Seele kommender “Religion” und frei geschenktem, mehr geistig festgehaltenem, “Glauben”. In den christlich geprägten Milieus der Vergangenheit war die Verbindung von Religion und Glaube vorgegeben durch das lebendige Brauchtum. Heute muss diese bewusst gesehen und gewollt sein.

 

Herbert King

 

Literatur: Herbert King: Anschluss finden an die religiösen Kräfte der Seele. Vallendar-Schönstatt 1998.