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“Moderne Psyche: Uns geht’s besser als wir glauben”. Ein Beitrag in Psychologie heute (Mai 2012) von Martin Dornes. Mitglied im Leitungsteam des Instituts für Sozialforschung in Frankfurt/M. Sein aktuelles Buch: Die Modernisierung der Seele. Fischer, Frankfurt/M 2012. Daraus (nur) einige Zitate.
“Computersüchtige, hyperaktive Kinder, überforderte und gestresste Eltern, ausgebrannte Arbeitnehmer und von Depression und Ängsten gebeutelte Erwachsene: Der Eindruck, dass die Menschen in dieser Gesellschaft den Anforderungen des Lebens nicht mehr gewachsen sind, scheint nicht von der Hand zu weisen. Der Frankfurter Soziologe und Psychologe Martin Dornes legt nun ein umfangreiches Werk vor, das die weit verbreitete pessimistische Sicht infrage stellt. Seine Botschaft: Den Kindern und Erwachsenen in diesem Land geht es besser, als wir gemeinhin denken….Kinder und Jugendliche in Deutschland waren noch nie so gesund, so gebildet und so wohlhabend wie heute. Noch nie waren sie mit der Erziehungspraxis ihrer Eltern so zufrieden wie heute, und noch nie wollten so viele Jugendliche und junge Erwachsene ihre Kinder genauso erziehen, wie sie selbst erzogen wurden… Die Eltern der Geburtsjahrgänge ab 1985 verbringen so viel Zeit mit ihren Kindern wie keine Elterngeneration vor ihnen…”
Dagegen spricht: “In der Tat sind 80 Prozent der Berichterstattung über Eltern und Kinder heute negativ, beziehungsweise, es wird von Problemen berichtet. Die Medien sind einseitig auf Probleme und Einzelfälle fokusiert.”
“Der Wandel von einem autoritären Erziehungsstil zu einer wertschätzend anerkennenden Erziehung bringt einen neuen Persönlichkeitstypus hervor, die postheroische Persönlichkeit…” Diese ist “innerlich reicher, freier, kommunikativer als Persönlichkeitstypen früherer Zeiten…wir sind lockerer geworden…”. Bei der Zunahme von seelischen Erkrankungen ist vor allem eine “Zunahme der Diagnosen” zu berücksichtigen. “Ich sehe durchaus das Risiko, dass manche Menschen dem erhöhten Selbststeuerungsaufwand nicht gewachsen sind. Das betrifft vor allem jene, die nicht in einem verhandlungsorientierten Elternhaus aufwachsen konnten. Deshalb betrachte ich die moderne Erziehung, welche die Selbständigkeit und Selbststeuerungsfähikeit des Kindes fördert, als sozial funktional. Sie passt in eine Gesellschaft, die eben diese Fähigkeiten verstärkt abruft und auf sie auch angewiesen ist.”
“In Bezug auf mein Thema, die Einschätzung der Situation von Kinder, Jugendlichen und Eltern in der zeitgenössischen Gesellschaft stellt sich die Frage: Wollen wir atmosphärischen Labilitätseindrücken, die manchmal auch etwas Richtiges erfassen, den Raum einräumen, den wir ihnen heute zubilligen, oder ihnen sogar den Vorzug geben vor empirischen Stabilitätsbefunden. Ich habe mich entschlossen, die letzteren ausführlich zur Sprache zu bringen, aber ich Maße mir nicht an, damit das letzte Wort gesprochen zu haben.”