Bild: Foto Buchcover privat
Was macht das Buch von Marius Reiser über die berühmte Jungfrau von Orleans so besonders? Nicht nur die historische Gründlichkeit in der Schilderung der Ereignisse, nicht nur die Kapitel über die Umsetzungen des Themas für die Bühne bei William Shakespeare, Friedrich Schiller, Bernhard Shaw, Jean Anouilhs und anderen. Der Neutestamentler behandelt auch ausführlich die Rolle der Pariser Universität bei dem juristisch so willkürlich geführten Prozess, der von Anfang an mit Vorsatz auf ein Todesurteil wegen Ketzerei und Tod auf dem Scheiterhaufen zusteuert. Sie spielte eine ebenso große wie üble Rolle in diesem Verfahren. Ihr wissenschaftliches Niveau bereits im Niedergang, bedacht auf Erhalt eigener Privilegien und Einkünfte, wird die Universität zur Dienerin der Politik.
Und schließlich unterscheidet sich Reisers Buch von anderen aktuellen Veröffentlichungen zu „la pucelle“ – so etwa Enis Maci und Gerd Krumeich. Er bezieht eine Dimension mit ein, ohne den das junge Mädchen vom Land gar nicht zu verstehen sei, nämlich die Erfahrung der „Stimmen“, die sie im Auftrag Gottes zum französischen König und hoch zu Ross in die militärischen Auseinandersetzungen schicken. Ihre Unterhaltung mit diesen Stimmen hat nichts Ekstatisches, nichts Überspanntes, sondern sie geben ihr klare Mitteilungen, Ratschläge und Aufträge. Reiser zitiert einen Experten des Mittelalters: „Jeanne, détachée de ses voix, n’a plus de sens“. Ohne ihre Stimmen macht diese eindrucksvolle Gestalt der Geschichte Frankreichs keinen Sinn. Und Reiser wird auch hier wieder sehr aktuell: Wer mit einem Gott rechnet, der gelegentlich auch durch Wunder in die Geschichte eingreift, kann zugeben, dass solche Phänomene die Vernunft übersteigen. Aber „er kann auch von der Annahme oder Überzeugung ausgehen, dass ein solches Eingreifen tatsächlich vorliegt.“
Wie manche andere Heilige habe Johanna „gegen die Kirche an der Kirche festgehalten“. Es ist also nicht nur die Männerkleidung, die das junge Mädchen trägt, nicht nur ihr Mut, ihre Einmischung in die männliche Domäne der Kriegsführung oder ihr erstaunliche Kommunikation mit den Mächtigen ihrer Zeit sowie ihren Richtern im Prozess, die sie selbst so besonders machen. Sondern auch die von vielen ausgeklammerte Möglichkeit, dass Gott im Leben mancher Menschen tatsächlich zu ihnen und durch sie zu uns spricht. Letztlich also auch ein Fundament für das Verständnis des Neuen Testamentes. So schreibt der Neutestamentler Reiser auch in diesem Buch über das, was ihm offenbar unverzichtbar scheint.
03/25 Anne-Madeleine Plum
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