Date:23. Okt 2005

Hexenschuss

Gebet

Herbstblatt

 

Eigentlich wollte ich die Matratze in die vierte Etage hinauftragen.
Schön gerollt war sie und praktisch zum Schleppen.
Ich holte sie aus dem Auto und fühlte mich wie ein starker Mann.
Nach einigen Meters spürte ich es dann in meinem Rücken:
zweimal ein kurzes „Krrrr“,
ich ließ mein gerolltes Paket fallen
und stand da wie ein 80-Jähriger mit Rheuma in den Kochen.
Stehen ging ja noch.
Liegen in der Nacht war eine Katastrophe.
Es wurde eine Nacht der Versuche,
der erfolglosen Versuche, sich von einer Seite auf die andere zu drehen.
Dem Orthopäden gab ich am nächsten Morgen die Anregung:
„Ich brauche ein Wunder, denn ich will morgen in Urlaub fahren.“
Das Wunder setzte sich dann aus zwei Teilen zusammen:
Der Arzt rückte mein Knochengestell etwas zurecht,
und Medikamente, die die Nervenspitzen beruhigten sollten,
versuchten, mich mit Chemie etwas aufzupeppen.
Das Wunder gelang nicht so ganz
– aber ich konnte wenigstens am Tag danach das Meer sehen.
Gott, du Arzt meines Lebens,
die Herbstblätter wurden mir zum Zeichen,
wie sehr mein Leib nur unvollkommen
mein Leben, mein Denken, mein Lieben beherbergt.
Bei einer Tasse Kaffee gab mir ein lieber Mensch jenen Rat,
der mir nicht unbekannt ist:
“Vielleicht solltest du etwas mehr für deinen Körper tun!“
Ja, du gibst mir diesen Leib als Geschenk.
Und damit ich das nicht vergesse,
erinnert mich dieser Leib von Zeit zu Zeit daran.
Ich danke dir für diese Erinnerung,
dass ich mit mir und meinem Leben sorgsam umzugehen soll.
Ich danke dir für diese Erinnerung,
dass mein Leib mehr ist als nur Arbeits- und Lebensinstrument.
Ich danke dir für den Hinweis,
dass dieser Leib Tempel deines Geistes
und es wert ist,
dass ich würdevoll mit ihm umgehe.

HB