Texte und Gebete
Eine Erfahrung
„Noch innerlich bedrückt über eine nicht erfolgreiche Teamsitzung, gehe ich zum Arbeitsplatz. Die Spuren von Gottes Liebe erscheinen mir sehr weit entfernt. Im Büro leuchtet der Himmel in einem herrlichen Morgenrot. Ich deute das als leises Zeichen der Wärme Gottes. Dann: Über Tag einfach nette Worte von Arbeitskollegen. – Zeit für fachlichen Austausch, obwohl im Kalender nicht geplant. – Unterstützung wird von einer Gruppe angefordert, die ich bisher nie im Blickfeld hatte. – Abends noch die Zusage eines bereits abgesagten Termins. Danke. Lass mich in deiner Liebe bleiben.“
So sieht die Spurensuche eines Mannes am Ende eines Arbeitstages aus. Er lässt den Tag an sich vorüberziehen. Er schildert nicht nur äußere Vorgänge, sondern auch, was sie in ihm auslösen. Eine erfolglose Teamsitzung bedrückt ihn – er hat innerlich das Gefühl, dass die Liebe Gottes fern ist. Doch da gibt es auch positive Erfahrungen. Ein Zeichen der Natur, die Morgenröte, wird für ihn zu einem Zeichen für die Wärme Gottes. Am Ende stehen der Dank und die Bitte, in der Liebe Gottes bleiben zu dürfen.
Man spürt, dass dieser Mann sich von Gott begleitet fühlt. Vielleicht erlebt jemand aus seinem Arbeitsteam die einzelnen Ereignisse ganz anders. Doch der Schreiber ist zugleich
- ganz bei der Arbeit,
- ganz bei sich selbst und seinem inneren Erleben,
- ganz beeindruckt von der Begleitung Gottes.
Sein Gottesglaube bezieht auch den Alltag mit ein. Er deutet nicht nur die großen, einmaligen Erfahrungen seines Lebens (Berufswahl, Hochzeit, Geburt eines Kindes, sonstige wichtige oder aufwühlende Ereignisse) als Spuren Gottes in seinem Leben. Es sind gerade die kleinen und unspektakulären Vorkommnisse des Alltags, die für ihn ein Mittel sind, mit Gott in Verbindung zu bleiben.
Liebe lebt von der inneren Aufmerksamkeit
Mit der Beziehung zu Gott ist es wie mit der innigen, liebevollen Beziehung zu einem Menschen. Sie lebt davon, dass die vielen kleinen Dinge des Alltags an den geliebten Menschen erinnern. Selbst körperliche Entfernung hebt nicht die innere Verbundenheit auf. Viele kleine Ereignisse erinnern an ihn. Kein Mensch findet es komisch, wenn eine Frau eine schöne Blume sieht und sich an die Liebe ihres Mannes erinnert fühlt. Niemand findet es eigenartig, wenn ein Mann das Bild seiner Frau im Portemonnaie mit sich trägt.
Die Liebe zwischen Menschen ist Bild und Gleichnis unserer Liebe zu Gott. Auch die Liebe zu Gott wächst in uns, indem wir Gedanken, Emotionen, Zeit, Gespräch für ihn investieren. Wie Haltungen allgemein, entsteht auch die Liebe zu Gott in uns durch dauernde innere Aufmerksamkeit und Übung.
Die „kleinen Propheten“ unseres Lebens
Ignatius von Loyola beschreibt in den Worten „Gott suchen in allen Dingen“, was hier gemeint ist. J. Kentenich nennt die Schöpfung, die Menschen, die Ereignisse „kleine Propheten“, die uns auf die Gegenwart und Nähe Gottes hinweisen. Wir sind eingeladen, deren Botschaften aufzunehmen und zu entschlüsseln.
Wir dürfen davon ausgehen, dass – unbeschadet der Freiheit der Menschen – nichts und kein Vorgang des Kosmos aus den Händen Gottes gleitet, sondern alles seinen Platz in seiner Vorsehung hat. Das gilt auch dann, wenn wir vieles nicht deuten oder auch ein ganzes Leben lang nicht begreifen können.
Fragen:
- Wie geht es mir mit der Vorstellung, dass Gott mich in den vielen kleinen Dingen des Alltags begleitet und anspricht?
- Welche Eigenschaften der Liebe zwischen Menschen kann ich auch in der Liebe des Menschen zu Gott erkennen?
- Was sind für mich wichtige „kleine Propheten“?