Date:07. Jan 2015

Heute alles richtig gemacht

Hingeschaut

Fotos: Heike Bulle

Wo man nicht überall hinschauen kann!
Zum Jahreswechsel bietet sich das eigene Leben an.
Ganz besonders natürlich das vergangene und das kommende Jahr.
Und das habe ich getan.
Mit meiner Oma zusammen. Ganz spontan.
Wir sind in dickem Nebel zu einer Kapelle spaziert. Wir sahen den Weg gerade soweit wie nötig. Die Kapelle ist erst zu sehen, als wir schon fast davor stehen.
Wir gehen hinein. Außer uns ist niemand da. Wir zünden ein paar Kerzen an.
Dann setzen wir uns in eine Bank und ich packe zwei Herzen aus rotem Papier und zwei Kreuze aus grauem Papier aus.
„Was ist das denn jetzt?“ will Oma wissen. Ich hatte ihr nichts von meinem Vorhaben erzählt.
Als ich ihr kurz erklärt habe, was ich gerne mit ihr machen möchte, stimmt sie begeistert zu und wir legen los:
Zuerst nehmen wir uns die Kreuze.
„’Werft all Eure sorgen auf mich!’ steht ja in der Bibel“ sagte ich zu Oma.
„Wer sagt das?“, will sie wissen. „Jesus“, antworte ich.
Sie sieht mich ungläubig an: „Ja?“. „Ja“, sage ich, „und der hat da wesentlich mehr Übung darin, all das zu tragen, was wir nicht packen, als wir…“ antworte ich. „Ja. Das ist gut!“, meint sie.
Und so schreiben wir all unsere Sorgen, die uns aus dem alten Jahr noch quälen, und die, die uns bzgl. des neuen schon beschleichen, auf die kleinen Papierkreuze.
Dann nehmen wir uns die Herzen und schreiben auf die linke Seite, für welche Erlebnisse im vergangenen Jahr wir dankbar sind, und auf die rechte Seite, was wir uns für das neue Jahr wünschen.
Die Herzen legen wir an die Krippe, die aufgebaut ist.
„Soll das Christkind sich um all das kümmern, was nicht in unserer Macht steht!“, sage ich mit einem hoffenden Zwinkern. „Ja, das soll es mal machen!“, stimmt Oma mir zu.
Und dann gehen wir nach draußen und verbrennen dort die Kreuze in einem kleinen Gefäß.
Oma ist so begeistert von der Idee, dass sie selbst die Asche in den Schnee streut.
„Heute haben wir alles richtig gemacht!“, sagt sie.
Und auf dem Rückweg ist der Nebel schon nur noch halb so dicht, und der Weg fällt uns ein bisschen leichter.

Heike Bulle