Texte und Gebete
Gottes verborgene Gegenwart in allem
Alfed Delp SJ formuliert seine Vorstellung von der Gegenwart Gottes in unserem Leben folgendermaßen:
„Das eine ist mir klar und spürbar wie selten: die Welt ist Gottes so voll. Aus allen Poren der Dinge quillt er gleichsam uns entgegen.
Wir aber sind oft blind. Wir bleiben in den schönen und bösen Stunden hängen und erleben sie nicht durch bis an den Brunnenpunkt, an dem sie aus Gott herausströmen.
Das gilt für alles Schöne und auch für das Elend. In allem will Gott Begegnung feiern und fragt und will die anbetende, hingebende Antwort.“
Nichts bleibt ausgeschlossen, wenn wir als glaubende Menschen davon ausgehen, dass Gott auf uns zukommt, uns begegnen will. Es ist allerdings bei uns wie bei den beiden Jüngern auf dem Weg nach Emmaus: „Sie waren wie mit Blindheit geschlagen, so dass sie ihn nicht erkannten“ (Lk 24,16). Und damals ging der Herr leibhaftig mit ihnen – nicht verborgen etwa in den Menschen, Dingen und Ereignissen.
Der Psalm 139 drückt die Überzeugung von der Allgegenwart Gottes in diesen Worten aus:
„Du umschließt mich von allen Seiten /
und legst deine Hand auf mich.
Zu wunderbar ist für mich dieses Wissen, /
zu hoch, ich kann es nicht begreifen.
Wohin könnte ich fliehen vor deinem Geist, /
wohin mich vor deinem Angesicht flüchten?
Steige ich hinauf in den Himmel, so bist du dort; /
bette ich mich in der Unterwelt, bist du zugegen.
Nehme ich die Flügel des Morgenrots /
und lasse mich nieder am äußersten Meer,
auch dort wird deine Hand mich ergreifen /
und deine Rechte mich fassen.“ (Ps 139,5-10)
Gott umschließt die Menschen von allen Seiten, jedoch nicht um sie einzuengen, sondern um sie zu wärmen wie ein Mantel, der uns bei großer Kälte umschließt, um uns lebensfähig zu machen, wie der Sauerstoff, der uns in der Luft rings herum umgibt, wie das Wasser, das uns bei einem Bad im Meer umhüllt und erfrischt.
Die Dinge, Menschen und Ereignisse um uns herum können zum Bild und Gleichnis seiner Nähe werden. „Gott umarmt uns durch die Wirklichkeit“ (W. Lambert). Die Dinge, Menschen und Ereignisse behalten ihren Eigenwert. Eine Blume ist zunächst eine Pflanze und hat im ökologischen Netz der Umwelt eine bestimmte Aufgabe. Sie kann aber auch, z.B. als Geschenk verpackt, einen Symbolwert erhalten: Sie kann zum Zeichen der Zuneigung werden. Immer kann sie, wie alle Dinge, Menschen und Ereignisse, einen Symbolwert im Blick auf Gottes Nähe bekommen: Als Geschöpf spricht die Blume von ihrem Schöpfer und „verkündet“ als „kleiner Prophet“ seine Gegenwart.
Fragen:
- Ich kann, dem Text von Alfred Delp folgend, darüber nachdenken, wie Gott durch die Wirklichkeit auf mich zukommt.
- Welche Dinge und Vorgänge spielen in meinem Leben eine wichtige Rolle? Wie kann ich darin der Gegenwart Gottes auf die Spur kommen?