Date:23. Feb 2011

Zeitzeichen Theologenmemorandum

Zeichen der Zeit

Kelch und Hostien

 

Vor wenigen Tagen hat eine Gruppe von Theologen ein Memorandum zur Situation der Kirche in Deutschland veröffentlicht, ein Zeichen der Lebendigkeit dieser Kirche und ebenso ihrer Fragwürdigkeiten.

Zum einen überrascht die Art, wie darüber geredet bzw. hergezogen wird. Warum können wir nicht sachlicher über so etwas reden? Warum soviele Abwertungen, Verunglimpfungen, Unterstellungen? Übrigens ist das Zweite Vatikanische Konzil auch in Bezug auf seinen Umgang mit der Presse ein wichtiges Vorbild. Wir brauchen Presse-Öffentlichkeit nicht zu meiden.

Natürlich geht es bei der Erneuerung der Kirche immer zuerst um Bekehrung. Doch sollte man mit dem Hinweis auf die Priorität des Glaubens nicht verbieten, über manche Dinge nachzudenken oder sie anzumahnen, die auch wichtig sind.

Zum Thema Priester. Wir haben in Deutschland entgegen den üblichen Klagen ein im weltkirchlichen Vergleich relativ günstiges Verhältnis von aktivem Priestern und Katholiken.

Zum anderen meine ich, dass darüber nachgedacht werden müsste, warum die Strukturreformen so einseitig priesterzentriert durchgeführt werden. Ich denke, dass der Sinn des Zurückgangs der Priester durchaus einer göttlichen Heilsprovidenz entsprechen könnte, wonach eine laikalere Kirche mehr und mehr entstehen soll.

Dann will ich gerne fragen, warum wir von Seelsorgeeinheiten und Pastoralräumen reden? Das bedeutet ja wohl, dass das Ganze zu einseitig betreuungszentriert gedacht und angegangen wird. Warum reden wir nicht vielmehr von Gemeindeeinheiten und Kirchorten mit entsprechenden Verantwortlichen und Gottesdiensten? Das bräuchte dann auch einen neuen Leitungs- und Inspirationsstil.

Dann zum Thema Frauen und kirchliches Amt. Es gibt seit einiger Zeit in den verschiedenen Kirchenleitungen in unserem Land jeweils (!?) auch Frauen mit entsprechender Leitungskompetenz und -autorität. Es könnte durchaus noch sehr viel mehr Laien in solchen Aufgaben geben. Kann das Amt des Generalvikars nicht auch von einem Laien besetzt sein, auch von einer Frau (einer Generalvikarin oder Generalsekretärin)? Es ist ja nicht notwendigerweise ein priesterliches Amt.

Zum Thema wieder verheiratete Geschiedene: Da müsste man sich einmal richtig umschauen, wie die damit zusammenhängende Problematik von den orientalischen Kirchen angegangen wird.

Weiter, so denke ich, geht es um eine notwendige Mentalitätsveränderung, was die Sicherung der Gültigkeit von Normen und Idealen betrifft. Man kann sich die allgemein-verbindliche Gültigkeit von Normen und auch Idealen immer noch oft nur so denken, dass man diejenigen, die sich aus welchem Grund auch immer nicht daran halten wollen oder halten können, ausgrenzt. Den Sünder, die Sünderin lieben und die Sünde ablehnen, sagt Augustinus. Damit etwas schwere Sünde ist, muss es sich nicht nur um ein sehr wichtiges Gebiet handeln, sondern muss auch eine entsprechende Freiheit der Zustimmung vorhanden sein. Darauf hat gerade Pater Kentenich immer wieder hingewiesen und entsprechend eher von Schwächen als von Sünden gesprochen. Ich zitiere ihn, weil viele, auch ich, ihn als Heiligen verehren, er also nicht leichtsinnig und liberal mit den Geboten Gottes umgegangen ist. Wohl aber, wie Jesus, sehr “großzügig” mit den Schwächen der Menschen. Gerade auf sexuellem Gebiet ist der Mensch nun Mal vielfach sehr, sehr schwach und steht, zumal heute, unter einer vielfach zum Zwang werdenden Beeinflussung und Verführung. Eine Auffassung, die mehr die Schwäche als die Sünde sieht, ist dann nicht nur für den ganz persönlichen Innenbereich des Menschen wichtig. Sie ist auch soziologisch gesehen relevant. Immer noch meint man zu sehr, die Beachtung von Normen nur wirklich schützen und fördern zu können, wenn man entsprechend klar und hart ausgrenzt. Das betrifft in einem Land, in dem die Kirche nach dem Staat der größte Arbeitgeber ist, besonders viele Menschen.

In alle hier genannten Themen wird sich Rom nicht einmischen bzw. dies eher zustimmend und helfend tun.

 

Herbert King