Date:14. Nov 2012

Wir wollten Süßes

Hingeschaut

St. Martin Schattenspiel - Foto: Hubertus Brantzen

Foto: Hubertus Brantzen

Stefan Meetschen: Wir wollten Süßes

Wie war das möglich? Wieso haben uns Eltern und Lehrer damals nicht gewarnt? Man ließ uns bei kühlen Temperaturen hinter einem als römischer Soldat verkleideten Reiter, der auf einem Schimmel saß, herlaufen und Lieder übers Teilen singen. Zuvor hatten wir Laternen gebastelt, die aufgrund der vielen Farben sehr geheimnisvoll wirkten, immerhin gab es dann noch ein Brezel aus süßem Hefeteig. Das schmeckte. So wurde man bereits als Kind zum christlichen Glauben, zur Idee der Nächstenliebe verführt. Mit dem Vorbild des hl. Martin, in dessen Namen diese Umzüge stattfanden. Gegenüber Regionen der Welt, wo das Christentum nicht kulturprägend ist, war das ein Akt der Diskriminierung. Wir dachten nicht an Dialog, wir wollten Süßes.

Heutige Kinder wachsen fortschrittlicher auf. Immer beliebter werden die religiös neutralen „Laternenfeste“. Unter einem Motto, das jede Schulklasse frei wählen kann, ziehen die Kleinen in diesen Tagen hinaus in die Kälte und feiern beispielsweise den „Sternenhimmel“ oder das „Meer“. Je nach ‘Themenpriorität. Zur Belohnung gibt es Grillwurst oder Waffeln, heiße und kalte Getränke. Besonders schön: ln manchen Städten findet das „Laternenfest“ an einem verkaufsoffenen Sonntag statt. So lernen die Kinder den zwangsfreien Übergang vom Ritual zum unbegrenzten Konsum.

Nur in einzelnen Gegenden, so hört man, spukt immer noch die Martinslegende durch die Köpfe und Straßen. Höchste Zeit, dass Brüssel einschreitet und die Kinder vor diesen intoleranten Denkmustern schützt.

aus: Die Tagespost

gefunden von Peter Lauer, 11. November 08:35