Weihbischof Rolf Steinhäuser

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„Was steht ihr da und schaut zum Himmel?“

Wenige Tage vor „Christi Himmelfahrt“ veröffentlichte die CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer in „Christ und Welt“ sechs Thesen zum Thema: „Christliche Botschaft und Politik“. In der Hinführung zu ihren Thesen setzt sie beim Erleben der Jesus-Jünger an:

„Für die Apostel war die Zeit um Ostern und Christi Himmelfahrt sehr turbulent – von der Trauer angesichts des grausamen Todes Jesu über die Freude bei den Begegnungen mit dem Auferstandenen bis zum Gefühl des Zurückgelassenseins nach der Himmelfahrt. Die 40 Tage zwischen Ostern und Himmelfahrt waren für die Apostel eine Vorwegnahme des Reiches Gottes. Umso ernüchternder seine Himmelfahrt. Hätte Jesus nicht auf die Himmelfahrt verzichten und das Reich Gottes auf Erden damals schon gründen können? … Die Apostel kehrten desillusioniert nach Jerusalem zurück und verharrten dort. Himmelfahrt heißt, dass die Zeit noch  nicht gekommen ist. Aber Himmelfahrt reißt für uns Menschen die Türen zum Handeln im Hier und Jetzt auf. Himmelfahrt bedeutet Gestaltungsanspruch. Hätte es die Himmelfahrt Jesu nicht gegeben, dann wären menschliches Engagement und Handeln in Gottes Präsenz aufgehoben.“

Diesen Ansatz finde ich spannend. Ohne Himmelfahrt keine Weltgestaltung! So aber öffnet Jesus den Raum für das politische Handeln der Menschen.
Wie oft erwarten wir, dass “ jemand von oben“ alles in die Hand nimmt und für uns ordnet und klärt. „Die da oben“ sind für Gerechtigkeit und Frieden zuständig, „die da oben“ versagen, weil sie für uns nicht das reich unserer Wünsche und Träume errichten. „Die da oben“, das können die Politiker sein, die Bischöfe, der Papst, ja auch der liebe Gott. Immer wieder sind wir versucht, nach oben zu starren und zu erwarten, dass andere für uns Kirche und Welt verändern und bewegen. Jesus sieht das anders. An die Stelle der Wunscherfüllung tritt eine Aufgabe und eine Zusage. Die Jünger selber sollen Zeugen des Gottesreiches sein. Sie sollen allen Menschen bezeugen, dass das Reich längst angebrochen ist, dass in Jesus der Himmel wieder mit der Erde verbunden wurde.

Die Endgültigkeit des Abschieds droht, die Jünger zu überfordern. Es ist, als ob ihnen Vater und Mutter gleichzeitig weggenommen werden und sie mit einem Schlag „erwachsen werden“ müssten. Sie starren zum Himmel, von wo sie erwarten, was jetzt ihre Aufgabe ist.

Es ist ein langer und schmerzhafter Weg, bis ein Paulus formulieren kann: „Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir“. Die Jünger brauchen noch die Erfahrung von Pfingsten, das Erlebnis der Gemeinschaft mit Jesus im Heiligen Geist.

Die Heilige Schrift spricht nicht von gestern. Christi Himmelfahrt will auch das Fest „unseres Erwachsenwerdens“ sein.

 


Weihbischof Rolf Steinhäuser, Köln