Weihbischof Ludger Schepers, Essen


Foto: Werbung für Missio-Sonntag – Website: missio-hilft

Die Kraft der Vergebung

„Lasst uns nicht müde werden, das Gute zu tun!“ (Gal 6,9) Unter diesem Leitwort durfte das Bistum Essen Anfang Oktober Gastgeber der missio-Eröffnungskampagne zum Monat und Sonntag der Weltmission 2021 sein. Corona-bedingt konnten in diesem Jahr erstmals wieder Gäste aus einem Partnerland teilnehmen. An der Spitze der zehnköpfigen Delegation aus Nigeria standen der seit 2009 im interreligiösen Dialog um Frieden hochengagierte Erzbischof Dr. Ignatius Kaigama und der Emir von Wase, Dr. Mohammed Sambo Haruna.

Es hat mich sehr beeindruckt, wie deutlich beide vor Presse und Politkern hier die Missstände in ihrem Land benannt haben, die schon seit Jahren viele Menschenleben durch Terror und Gewalt gekostet hat. Ganz eindeutig betonten sie, dass nicht die Verschiedenheit der Religion, Islam und Christentum, zu Stammesfehden, Kidnapping, Hass, Vorurteilen und sexueller Gewalt führen, sondern dass es wirtschaftliche und politische Interessen weniger Menschen sind, die in Zusammenarbeit mit Banden und Drogenmafia die Religiosität der Menschen für ihre Zwecke benutzen.

Neben dem nicht ungefährlichen Einsatz der genannten religiösen Führer ist die Arbeit von Woman‘s Interfaith Council bemerkenswert (WIC bekommt im November den Aachener Friedenspreis verliehen). Hier haben sich in Kaduna 23 christliche und muslimische Vereine (12.650 Frauen) zur Fraueninitiative „Mütter für den Frieden“ zusammengeschlossen, um den Teufelskreis der Gewalt zu durchbrechen und ihre Religion nicht länger für Politik missbrauchen zu lassen. Ihre Vertreterinnen Sr. Veronica, Elisabeth Abuk und Daharatu Aliya als Muslima waren durch engste Familienangehörige persönlich davon betroffen.

Es hat mich bis hin zu Tränen tiefst bewegt, welche Kraft zur Vergebung und Versöhnung diese Frauen aus ihrem Glauben aufbringen, nicht zu resignieren, sondern davon überzeugt zu sein, dass Frieden in der Gesellschaft nur erreicht werden kann, wenn auch die Stimmen der Frauen gehört werden. Sie machen schließlich die Hälfte des Gemeinwesens aus und tragen wesentlich das soziale Leben.
Das gilt ja auch für uns in Deutschland. Stellvertretend zitiere ich Elisabeth Abuk:

Ich habe eine Leidenschaft. Ich liebe eine friedliche Umgebung. Ich liebe es, wenn Menschen fair behandelt werden. Ich möchte Gott danken dafür, dass ich hier bin, dass ich mich für den Frieden einsetzen kann.

Mut macht auch die Damietta Peace Initiative (DPI ist eine franziskanische Bewegung). Sr. Nenlidang berichtete, dass besonders Witwen Opfer der Gewalt sind. In den gewaltsamen Auseinandersetzungen verlieren Frauen oft nicht nur ihren Ehemann und die wirtschaftliche Unterstützung der Familie, sie verlieren gleichzeitig ihre gesellschaftliche Anerkennung. Als Witwen gelten Frauen nichts. Ihr Besitz und ihr Einkommen, sogar ihre Kinder werden ihnen streitig gemacht. Sie können in allen Widrigkeiten nur überleben, wenn sie sich verbünden. Um nicht in der Spirale der Gewalt zu versinken, bestärken und unterstützen sie sich gegenseitig, weil sie davon überzeugt sind, dass der Weg zum Leben nur über Versöhnung und Frieden führen kann.

Wie missio diese Friedensinitiativen fördert, können Sie auf www.missio-hilft.de nachlesen und natürlich sind Ihrer Unterstützung keine Grenzen gesetzt.

In Essen, Duisburg und Gelsenkirchen habe ich, kräftig unterstützt von den Mitarbeitenden unserer Abteilung „Weltkirche und Mission“, mit der Delegation Projekte besucht, die mit ihren sozialpastoralen und interreligiösen Initiativen und Fragestellungen einen wechselseitigen Austausch zwischen den Gästen aus Nigeria und den vor Ort engagierten Menschen ermöglicht haben. Ein Blick in unsere wechselvolle deutsche Geschichte, was das Miteinander der Konfessionen bis heute betrifft, die häufig eher von politischen Kräften und Motiven bestimmt waren, half die Angst der Gäste zu verstehen, die katholische Kirche in Deutschland sei nicht mehr katholisch, weil sie sich zu sehr mit den protestantischen Kirchen verbunden fühle. Informiert über die gleichzeitige stattfindende Versammlung des Synodalen Weges in Frankfurt kam es zu interessanten Gesprächen über Macht und Gewalt, Geschlechtergerechtigkeit, Fragen der Sexualität und natürlich über die Rolle von Priestern und Bischöfen.

Einmal mehr hat sich mir gezeigt, wie wichtig in allem die persönliche Begegnung ist, Vorurteile abzuräumen, den Dialog zu wagen und die Bereitschaft zu haben, voneinander lernen zu wollen. Als Kinder des einen Gottes sollte uns das möglich sein.

Weihbischof Ludger Schepers, Essen