Weihbischof Ludger Schepers

Innenraum der neuen Koptische Kathedrale von Assuan – Foto: Hubertus Brantzen

Ein langer Karfreitag

Am Palmsonntag habe ich in Essener Dom den Palmsonntags-Gottesdienst gefeiert. Ich habe die Passionsgeschichte gelesen und bin mit der anwesenden Gemeinde gedanklich hineingegangen in die Karwoche und auf den Weg nach Ostern.

Kurz nach der Messe habe ich im Autoradio von dem blutigen Anschlag in einer vollbesetzten koptischen Kirche im ägyptischen Tantra gehört. Ein Sprengsatz ist dort während eines Gottesdienstes in der Nähe des Altares detoniert. Wenig später kam die Meldung, dass es vor einer Kirche in Alexandria einen zweiten Anschlag gegeben hat. Mindestens 44 Menschen sind bei den zwei Anschlägen ums Leben gekommen, etwa 120 wurden verletzt.

Die Attentate, für die der Islamische Staat die Verantwortung übernommen hat, ereigneten sich kurz vor dem Ägypten-Besuch von Papst Franziskus, der für den 28. und 29. April geplant ist. Dabei will Franziskus auch seine Solidarität mit den Kopten zum Ausdruck bringen. Die Kopten sind die größte christliche Glaubensgemeinschaft im Nahen Osten. Ihre Kirchen waren in den letzten Jahren immer wieder das Ziel von Attentaten. Christen und Muslime haben in dieser Region bisher friedlich zusammengelebt. Das könnte sich jetzt ändern, befürchten viele.

Die blutigen Anschläge haben sich an dem Tag ereignet, an die Christinnen und Christen in West und Ost den Palmsonntag gefeiert haben. Da wurde die Passion Jesu plötzlich sehr konkret. Menschen sind während eines Gottesdienstes schwer verletzt worden oder haben gar ihr Leben verloren.

Es fällt mir schwer, angesichts dieser Brutalität von Ostern zu reden. Das Leid der Menschen, der lebenden und der getöteten, verbietet es mir. Für sie hat am Palmsonntag der Karfreitag begonnen. Und der endet nicht an Ostern.

Manchmal dauert der Karfreitag sehr lange. Das spüre ich auch immer wieder, wenn ich Menschen auf ihrem langen Weg durch eine schwere Krankheit begleite. Wenn ich alten Menschen begegne, die des Lebens müde geworden sind und gerne sterben würden, es aber nicht können. Wenn ich mit Menschen spreche, die den Tod eines Ehepartners, einer Freundin oder eines Kindes betrauern. Für sie alle ist der Glaube an Ostern und die Auferstehung vielleicht irgendwo im Kopf, er ist aber in der Zeit der Trauer keine lebendige Realität. Und muss es auch nicht sein.

In solchen Situationen und Gesprächen bin ich dankbar, weil ich mich von meinem Glauben an den Auferstandenen getragen weiß. So kann ich Anteil geben an meiner Hoffnung auf ewiges Leben – auch ohne dass mein Gegenüber meine „Rede“ mit den Ohren hört.

Weihbischof Ludger Schepers
Bistum Essen

 

Kommentar aus: basis-online.net