Weihbischof Dr. Dominikus Schwaderlapp, Köln

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Macht ist kein Selbstzweck

Das Ringen um eine neue Bundesregierung hält an. Die Verhandlungen über ein sogenanntes Jamaika-Bündnis sind gescheitert. Läuft es auf Neuwahlen hinaus? Kommt es doch noch zu einer Neuauflage der „Groko“? Beim Verfolgen der Beiträge von CDU, CSU, FDP und Grünen sind in meinen Augen zwei Dinge auffällig:

1. Es gibt erhebliche Unterschiede in der Sache.

2. Wenn diese überwunden werden können, dann nur durch den eisernen Willen gemeinsam an die Macht zu kommen bzw. an der Macht zu bleiben. Trägt dies allein?

Am kommenden Sonntag feiern wir das Christkönigsfest, der letzte Sonntag im Kirchenjahr. Christus wird als Sieger, König und Herr gefeiert, der alle widrigen Mächte überwunden hat. Gibt es einen Zusammenhang zwischen den Koalitionssondierungen und dem Christkönigsfest?

Auf den ersten Blick Nein. Wir leben in einem säkularen Staat. Kirche und Staat sind getrennte Welten. Und doch gibt es Querverbindungen. Interessanterweise offenbart Christus sein Königtum in einer Situation, in der er menschlich gesehen am Boden liegt: nämlich beim Prozess vor Pontius Pilatus. Der Prokurator verhört Jesus und fragt ihn, ob er ein König sei. Seine Antwort: „Du sagst es, ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit Zeugnis ablege.“ (Joh 19,37). Sein Königtum wurzelt in der Wahrheit. Pilatus kann dies nicht begreifen: „Was ist Wahrheit?“ (Joh 19,38), fragt er spöttisch. Im weiteren Verlauf des Prozesses zeigt er, worauf seine Herrschaft gründet: auf Macht, der sich alles unterzuordnen hat. Als er spürte, dass die Wahrheit – die Unschuld Jesu – für seine Macht gefährlich werden könnte, opfert er Jesus. Pilatus ist damit einstweilen der Sieger und Christus der Verlierer.

Doch nicht einmal drei Tage später hat sich das Blatt gewendet. Christus ist der Sieger über Sünde und Tod und bleibt es bis zu seiner Wiederkunft. Das Reich der Römer ist längst untergegangen und sein Untergang beschleunigte sich in dem Maße, in dem es in diesem Reich nur noch um Machterhalt ging.

Keine Frage, Macht ist wichtig und notwendig. Sie muss verantwortungsvoll wahrgenommen werden von Regierungen, Politikern, von Verantwortungsträgern in Gesellschaft und Wirtschaft. Aber Macht ist eben kein Selbstzweck. Sie steht im Dienste des Gemeinwohls und damit am Ende auch der Wahrheit über den Menschen. Hier sind wir Christen der Überzeugung, dass diese Wahrheit über den Menschen sich erst in der Offenbarung Jesu Christi her voll und ganz erschließt. Denn Er ist es, der dem Menschen zeigt, wer er wirklich ist (vgl. 2. Vatikanisches Konzil, „Gaudium et spes“ Nr. 22): Selbstzweck, geschaffen aus Liebe und zur Liebe.

Gibt es also doch eine Botschaft des Christkönigsfestes an die Koalitionsverhandler in Berlin? In der Tat! Wer Macht um der Macht willen sucht, wird keine Zukunft haben. Um der Macht willen seine Überzeugung zu verkaufen, mag kurzfristig erfolgreich sein. Bestand haben wird dies nicht. Und noch viel wichtiger: Der Verlierer dabei ist der Mensch. Auch wenn die Mächtigen von heute es nicht so weit treiben wie Pilatus mit Christus…

 

Dr. Dominikus Schwaderlapp
Weihbischof in Köln