Der Vorwurf, die moderne Exegese habe kein Verhältnis zum Bericht über die Verklärung Jesu, versteht die Geschehnisse auf dem Berg Tabor als mystische Erfahrung, die man nicht auf einen symbolischen Gehalt reduzieren dürfe. Vielmehr ist die Verklärung Christi eine Verheißung dessen, was alle Christen erwartet. Zugleich entspricht diese Szene dem Bundesschluss auf dem Berg Sinai: der Abstand der sieben Tage, der Berg, die kleine Jüngerschar, Himmelsstimme und Wolke. Es geht nicht um ein abwegiges mystisches Geschehen, sondern die Verklärung ist „der zentrale Ort der Selbsteröffnung Gottes“. Für die monastische geprägte Spirualität der Ostkirche ist die Lichterfahrung auf dem Tabor, wie die die Verklärungsikone deutlich macht, „ein durchaus plausibles Ereignis“. Ihr Thema sind nicht Jüngerfantasien, sondern eine geheimnisvolle Erfahrung der absoluten Nähe Gottes. Der Vorschlag des Petrus vom Hütten-Bauen wird von der Himmelsstimme korrigiert, weil nicht drei gleichrangige Lehrautoritäten hier versammelt sind, denen man Lehrhäuser baut, sondern weil Jesus die einzige entscheidende Autorität unter ihnen ist: der geliebte Sohn. Der Sohn schafft die anderen Autoritäten nicht ab, aber er ist, so Klaus Berger, „die Norm der Auslegung, und zwar in Person.“
Das Königin-Keran-Evangeliar gilt als eine der schönsten illuminierten Handschriften seiner Zeit, in Auftrag gegeben von der Königin, nachdem ihr Mann Leo II den Thron bestieg. Thoros Roslin, vom Hofe protegierter Künstler im Skriptorium der Hauptstadt, prägte mit seinen leuchtenden Farben, seinen stilistischen und ikonographischen Neuerungen die armenische Buchmalerei und deren Schrift für Jahrhunderte.
(Psalm 42,3)
Bild: Thoros Roslin (Թորոս Ռոսլին)
Verklärung Christi auf Tabor – Armenische Buchmalerei
Königin-Keran-Evangeliar, 1272, aus Sis (Sizilien)
heute Jerusalem, Armen. Patriarchat
zum Bild: >> Tabor
Elija selbst ging eine Tagereise weit in die Wüste hinein. Dort setzte er sich unter einen Ginsterstrauch und wünschte sich den Tod. Er sagte: Nun ist es genug, Herr. Nimm mein Leben; denn ich bin nicht besser als meine Väter.
Dann legte er sich unter den Ginsterstrauch und schlief ein. Doch ein Engel rührte ihn an und sprach: Steh auf und iss! Als er um sich blickte, sah er neben seinem Kopf Brot, das in glühender Asche gebacken war, und einen Krug mit Wasser. Er aß und trank und legte sich wieder hin. Doch der Engel des Herrn kam zum zweiten Mal, rührte ihn an und sprach: Steh auf und iss! Sonst ist der Weg zu weit für dich.
Da stand er auf, aß und trank und wanderte, durch diese Speise gestärkt, vierzig Tage und vierzig Nächte bis zum Gottesberg Horeb. Dort ging er in eine Höhle, um darin zu übernachten. Doch das Wort des Herrn erging an ihn: Was willst du hier, Elija? Er sagte: Mit leidenschaftlichem Eifer bin ich für den Herrn, den Gott der Heere, eingetreten, weil die Israeliten deinen Bund verlassen, deine Altäre zerstört und deine Propheten mit dem Schwert getötet haben. Ich allein bin übrig geblieben und nun trachten sie auch mir nach dem Leben.
Der Herr antwortete: Komm heraus und stell dich auf den Berg vor den Herrn! Da zog der Herr vorüber: Ein starker, heftiger Sturm, der die Berge zerriss und die Felsen zerbrach, ging dem Herrn voraus. Doch der Herr war nicht im Sturm. Nach dem Sturm kam ein Erdbeben. Doch der Herr war nicht im Erdbeben. Nach dem Beben kam ein Feuer. Doch der Herr war nicht im Feuer. Nach dem Feuer kam ein sanftes, leises Säuseln.
Als Elija es hörte, hüllte er sein Gesicht in den Mantel, trat hinaus und stellte sich an den Eingang der Höhle.
Wann darf ich dein Antlitz schauen? Führ mich zu deinem heiligen Berg und lass mich dein Antlitz schauen. (Psalm 42,2 ; 43,3)
Verschaff mir Recht, o Gott,
und führe meine Sache gegen ein treuloses Volk!
Rette mich vor bösen und tückischen Menschen!
Denn du bist mein starker Gott.
Warum hast du mich verstoßen?
Warum muss ich trauernd umhergehen,
von meinem Feind bedrängt?
Sende dein Licht und deine Wahrheit,
damit sie mich leiten;
sie sollen mich führen zu deinem heiligen Berg
und zu deiner Wohnung.
So will ich zum Altar Gottes treten,
zum Gott meiner Freude.
Jauchzend will ich dich auf der Harfe loben,
Gott, mein Gott.
Meine Seele, warum bist du betrübt
und bist so unruhig in mir?
Harre auf Gott; denn ich werde ihm noch danken,
meinem Gott und Retter, auf den ich schaue.
Gotteslob Nr 42 [3]
Denn wir sind nicht irgendwelchen klug ausgedachten Geschichten gefolgt, als wir euch die machtvolle Ankunft Jesu Christi, unseres Herrn, verkündeten, sondern wir waren Augenzeugen seiner Macht und Größe. Er hat von Gott, dem Vater, Ehre und Herrlichkeit empfangen; denn er hörte die Stimme der erhabenen Herrlichkeit, die zu ihm sprach: Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe. Diese Stimme, die vom Himmel kam, haben wir gehört, als wir mit ihm auf dem heiligen Berg waren. Dadurch ist das Wort der Propheten für uns noch sicherer geworden und ihr tut gut daran, es zu beachten; denn es ist ein Licht, das an einem finsteren Ort scheint, bis der Tag anbricht und der Morgenstern aufgeht in eurem Herzen.
Immer tragen wir dein Todesleiden an unserem Leib, bis du ihn verwandelst und gleichgestaltest deinem verklärten Leib.
Etwa acht Tage nach diesen Reden nahm Jesus Petrus, Johannes und Jakobus beiseite und stieg mit ihnen auf einen Berg, um zu beten. Und während er betete, veränderte sich das Aussehen seines Gesichtes und sein Gewand wurde leuchtend weiß. Und plötzlich redeten zwei Männer mit ihm. Es waren Mose und Elija; sie erschienen in strahlendem Licht und sprachen von seinem Ende, das sich in Jerusalem erfüllen sollte. Petrus und seine Begleiter aber waren eingeschlafen, wurden jedoch wach und sahen Jesus in strahlendem Licht und die zwei Männer, die bei ihm standen. Als die beiden sich von ihm trennen wollten, sagte Petrus zu Jesus: Meister, es ist gut, dass wir hier sind. Wir wollen drei Hütten bauen, eine für dich, eine für Mose und eine für Elija. Er wusste aber nicht, was er sagte. Während er noch redete, kam eine Wolke und warf ihren Schatten auf sie. Sie gerieten in die Wolke hinein und bekamen Angst.
Da rief eine Stimme aus der Wolke: Das ist mein auserwählter Sohn, auf ihn sollt ihr hören. Als aber die Stimme erklang, war Jesus wieder allein. Die Jünger schwiegen jedoch über das, was sie gesehen hatten, und erzählten in jenen Tagen niemand davon.
Lied: Herr, nimm auch uns zum Tabor mit – Peter Gerloff
Die erste Strophe des Liedes zeigt das Geschehen auf dem Berg Tabor als zukünftige Verheißung für uns:
1. Herr, nimm auch uns zum Tabor mit,
um uns dein Licht zu zeigen!
Lass unsre Hoffnung Schritt um Schritt
mit dir zu Gott aufsteigen.
Kehrvers: Du wirst auch uns verklären,
Herr der Herren.
Der Texter und Komponist Peter Gerloff, als evangelischer Pfarrer konvertiert und heute katholischer Priester, formuliert in der dritten Strophe des Liedes in zeitgemäßer Sprache, was einst der heilige Augustinus als Auftrag an Petrus in Worte fasste:
2. Dann geh mit uns vom Berg hinab
ins Tal der Alltagssorgen
und sei uns Weg und Wanderstab
durchs Kreuz zum Ostermorgen.
Kehrvers.
(Text Peter Gerloff 2001, Melodie Richard Mailänder 2007, Gotteslob 363, 1.3)
Literaturhinweis:
– Bibel heute 197: Auferstehung ( 1/2014)
– Klaus Berger, Jesus, München, 2004, S. 68-74.
Petrus sieht die Erscheinung, und in menschlicher Denk- und Ausdrucksweise sagt er: „Herr, hier ist gut sein für uns.“ Er war der Menge überdrüssig geworden, die Einsamkeit des Berges tat ihm wohl; hier besaß er Christus, das Brot seiner Seele. Warum sollte er da wieder zu Arbeit und Mühe weggehen, da er doch in Gott seine heilige Liebe gefunden hat und damit auch die Erfüllung seines Lebens. Er wollte es sich gut sein lassen, und deshalb fügte er bei: „Wenn du willst, so wollen wir hier drei Hütten bauen, eine für dich, eine für Moses und eine für Elias.“ Der Herr antwortete darauf nichts. Und doch wurde Petrus eine Antwort gegeben. Denn als er noch redete, siehe, da überschattete er sie eine lichte Wolke. Er bemühte sich um drei Zelte; die Antwort vom Himmel aber sagte, daß einer uns geschenkt sei, den jedoch menschlicher Aberwitz aufteilen möchte: das Wort Gottes Christus, das Wort Gottes in dem Gesetz, das Wort Gottes in den Propheten. Warum also, Petrus, willst du aufteilen? Eher sollst du dich bemühen zusammenzufügen. Ein Dreifaches suchst du; doch um Einen nur bemühe dich! …
Steige also, Petrus, vom Berg herab. Du wolltest auf dem Berg ruhen. Steige herab! „Predige das Wort, halte an damit, sei es gelegen oder ungelegen, überweise, bitte, strafe in aller Geduld und Lehrweisheit.“ Arbeite, mühe dich, erdulde Leiden! – Das hatte Petrus noch nicht verstanden, da er mit Christus auf dem Berg leben und verweilen wollte. Das wurde dir, o Petrus, für das Leben nach dem Tod aufgespart. Jetzt aber sagt er selbst: „Steige zur Arbeit auf die Erde hinab, zum Dienen, zum Verachtetwerden, zum Kreuzestod.“ Das Leben selbst ist herabgestiegen, um getötet zu werden; das Brot ist herabgekommen und hat dennoch Hunger gelitten; der Weg ist herabgestiegen und ist dennoch auf dem Marsch ermüdet worden; der Quell des Lebens ist herabgekommen und hat dennoch gedürstet. Da weigerst du dich zu arbeiten? Suche nicht das Deine! Sei erfüllt von der Liebe! Predige die Wahrheit! Dann wirst du zur Ewigkeit gelangen und dort die erwünschte Ruhe genießen.
Sermo 78, 3-6; PL 38, 491-493
http://www.augustinus.it/latino/discorsi/discorso_104_testo.htm
Zusammenstellung: Hansjakob Becker / Anne-Madeleine Plum Dieser Gottesdienst: 2 Qua A in Patmos Vgl. dazu ausführlich: Hansjakob Becker, „Dies große Wort, geschrieben weiß auf schwarz“. Patmos: Begegnungen mit der Bibel im Kontext von Kultur – Liturgie – Spiritualität, in: Pietas Liturgica 16, Tübingen 2015.
* Texte aus der Heiligen Schrift sind entnommen aus der Einheitsübersetzung © 1980, Katholische Bibelanstalt GmbH.