Vergib deinen Brüdern!

Verrat unter Brüdern ist der Ausgangspunkt für dieses liturgische Konzept. Josef, der vom Vater bevorzugte Sohn wird von den eigenen Brüdern an fremde Sklavenhändler verkauft. Aber als er seinen Geschwistern nach Jahren gegenübersteht, stellt sich heraus, dass beide Seiten sich verändert haben. Reue und Bereitschaft zur Vergebung, Tränen und Zärtlichkeit sind Ausdruck dieses neuen Verhältnisses zueinander. Die geistliche Lesung lässt einen syrischen Christen zu Wort kommen. Seine Botschaft ist Versöhnung.


Vergib deinen Brüdern,

Schlimmes haben sie dir angetan

(Genesis 50,17) 

Bild:Miniatur der Sarajewo Haggada, Spanien, ca. 1350

> Zum Bild: Josef und seine Brüder – dort Bild 10


Alttestamentliche Lesung:*

Genesis 50,15-21

Als Josefs Brüder sahen, dass ihr Vater tot war, sagten sie: Wenn sich Josef nur nicht feindselig gegen uns stellt und uns alles Böse vergilt, das wir ihm getan haben. Deshalb ließen sie Josef wissen: Dein Vater hat uns, bevor er starb, aufgetragen: So sagt zu Josef: Vergib doch deinen Brüdern ihre Untat und Sünde, denn Schlimmes haben sie dir angetan. Nun also vergib doch die Untat der Knechte des Gottes deines Vaters! Als man ihm diese Worte überbrachte, musste Josef weinen. Seine Brüder gingen dann auch selbst hin, fielen vor ihm nieder und sagten: Hier sind wir als deine Sklaven. Josef aber antwortete ihnen: Fürchtet euch nicht! Stehe ich denn an Gottes Stelle? Ihr habt Böses gegen mich im Sinne gehabt, Gott aber hatte dabei Gutes im Sinn, um zu erreichen, was heute geschieht: viel Volk am Leben zu erhalten. Nun also fürchtet euch nicht! Ich will für euch und eure Kinder sorgen. So tröstete er sie und redete ihnen freundlich zu.

Kehrvers:

Der Herr vergibt die Schuld und rettet unser Leben. (Psalm 103,3.4)

Psalm 103, 1-5.8-13

Lobe den Herrn, meine Seele, /
und alles in mir seinen heiligen Namen!
Lobe den Herrn, meine Seele, /
und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat:
der dir all deine Schuld vergibt /
und all deine Gebrechen heilt,
der dein Leben vor dem Untergang rettet /
und dich mit Huld und Erbarmen krönt,
der dich dein Leben lang mit seinen Gaben sättigt; /
wie dem Adler wird dir die Jugend erneuert.A
Der Herr ist barmherzig und gnädig, /
langmütig und reich an Güte.
Er wird nicht immer zürnen, /
nicht ewig im Groll verharren.
Er handelt an uns nicht nach unsern Sünden /
und vergilt uns nicht nach unsrer Schuld.
Denn so hoch der Himmel über der Erde ist, /
so hoch ist seine Huld über denen, die ihn fürchten.
So weit der Aufgang entfernt ist vom Untergang, /
so weit entfernt er die Schuld von uns.
Wie ein Vater sich seiner Kinder erbarmt, /
so erbarmt sich der Herr über alle, die ihn fürchten.


Neutestamentliche Lesung:

Römerbrief 12,17-21

Vergeltet niemand Böses mit Bösem! Seid allen Menschen gegenüber auf Gutes bedacht! Soweit es euch möglich ist, haltet mit allen Menschen Frieden!
Rächt euch nicht selber, liebe Brüder, sondern lasst Raum für den Zorn (Gottes); denn in der Schrift steht: Mein ist die Rache, ich werde vergelten, spricht der Herr. Vielmehr: Wenn dein Feind Hunger hat, gib ihm zu essen, wenn er Durst hat, gib ihm zu trinken; tust du das, dann sammelst du glühende Kohlen auf sein Haupt. Lass dich nicht vom Bösen besiegen, sondern besiege das Böse durch das Gute!

Ruf vor dem Evangelium

(Matthäus 6,14)

Wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebet, dann wird euer himmlischer Vater auch euch vergeben.

Evangelium: Matthäus 18,21-35

Da trat Petrus zu ihm und fragte: Herr, wie oft muss ich meinem Bruder vergeben, wenn er sich gegen mich versündigt? Siebenmal? Jesus sagte zu ihm: Nicht siebenmal, sondern siebenundsiebzigmal. Mit dem Himmelreich ist es deshalb wie mit einem König, der beschloss, von seinen Dienern Rechenschaft zu verlangen. Als er nun mit der Abrechnung begann, brachte man einen zu ihm, der ihm zehntausend Talente schuldig war. Weil er aber das Geld nicht zurückzahlen konnte, befahl der Herr, ihn mit Frau und Kindern und allem, was er besaß, zu verkaufen und so die Schuld zu begleichen.
Da fiel der Diener vor ihm auf die Knie und bat: Hab Geduld mit mir! Ich werde dir alles zurückzahlen. Der Herr hatte Mitleid mit dem Diener, ließ ihn gehen und schenkte ihm die Schuld. Als nun der Diener hinausging, traf er einen anderen Diener seines Herrn, der ihm hundert Denare schuldig war. Er packte ihn, würgte ihn und rief: Bezahl, was du mir schuldig bist! Da fiel der andere vor ihm nieder und flehte: Hab Geduld mit mir! Ich werde es dir zurückzahlen. Er aber wollte nicht, sondern ging weg und ließ ihn ins Gefängnis werfen, bis er die Schuld bezahlt habe. Als die übrigen Diener das sahen, waren sie sehr betrübt; sie gingen zu ihrem Herrn und berichteten ihm alles, was geschehen war. Da ließ ihn sein Herr rufen und sagte zu ihm: Du elender Diener! Deine ganze Schuld habe ich dir erlassen, weil du mich so angefleht hast. Hättest nicht auch du mit jenem, der gemeinsam mit dir in meinem Dienst steht, Erbarmen haben müssen, so wie ich mit dir Erbarmen hatte? Und in seinem Zorn übergab ihn der Herr den Folterknechten, bis er die ganze Schuld bezahlt habe. Ebenso wird mein himmlischer Vater jeden von euch behandeln, der seinem Bruder nicht von ganzem Herzen vergibt.


Lied: Du schöner Lebensbaum

Im Evangelischen Gesangbuch steht unter der Rubrik „Passion“ ein Lied mit deutschem und dem originalen ungarischen Text. Dieser stammt von Imre Péczeli Király und entstand vor 1641. Strophen 3 macht deutlich, dass die Bereitschaft zur Vergebung eine innere Wandlung erfordert:
„Lieber Herr Jesus, wandle uns von Grund auf,
dass all denen wir auch gern vergeben,
die uns beleidigt, die uns Unrecht taten,
selbst sich verfehlten.“
Dass Vergebung uns selbst Frieden schenkt, fasst das Lied in folgende Worte:
„ Für diese alle wollen wir dich bitten,
nach deinem Vorbild laut zum Vater flehen,
dass wir mit allen Heiligen zu dir kommen,
in deinen Frieden.“

Evangelisches Gesangbuch Nr. 96,3.4                                                                                                        T: Dieter Trautwein/ Vilmos Gyöngyösi 1974, M: Klausenburg 1744

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Literaturhinweis: Walter Groß, Glaubensgehorsam als Wagnis der Freiheit. Wir sind Abraham, Mainz 1980, S. 43-58.

 

 

Geistlicher Text: Sahdona

Der syrische Mönch, Theologe und Bischof Sahdona (*um 600 in Halmon, nördlich von Ninive, †um 649 in Edessa) schrieb das „Buch der Vollkommenheit“, eines der wichtigsten Werke ostsyrischen Mönchtums. Darin gibt er folgenden Rat:
„Gewisse Menschen machen ihre Sünden durch die Mühen der Buße wieder gut; du aber kannst sie durch deinen bloßen Willen tilgen, indem du den Zorn deines Geistes verjagst. Wenn du nämlich deinem Bruder vergibst, sind deine eigenen Sünden wiedergutgemacht, gemäß diesem Wort des Herrn: „Vergebt einander, dann wird auch euch vergeben werden. … und das Maß, das ihr bei den anderen gebraucht, wird auch bei euch gebraucht werden.“
Und er lässt nicht locker mit seiner Forderung: „Bittest Du Gott nicht jeden Tag und jede Stunde darum, dir gegenüber barmherzig zu sein und dir zu vergeben? Sei also auch du gegenüber deinem Nächsten barmherzig, und vergib ihm stets!“
Das Maß der brüderlichen Vergebung sieht Sahdona von Christus selbst festgelegt, als er Petrus auf die Frage, wie oft er dem Bruder denn vergeben müsse, die Antwort gibt: Ich sage dir: Nicht siebenmal, sondern siebzigmal siebenmal. „Die Großzügigkeit im Vergeben soll sich also nach dem Vorbild Gottes richten. Mach also auch du es ebenso, vergib ohne Maß deinem Nächsten, mit einer freigebigen Güte, damit auch die Güte Gottes dir großzügig vergibt.“

 

 

Zitate aus: Sahdona, Buch der Vollkommenheit

 

Zusammenstellung: Hans-Jakob Becker / Anne-Madeleine Plum Dieser Gottesdienst:  8 Pen A in Patmos Vgl. dazu ausführlich: Hansjakob Becker, „Dies große Wort, geschrieben weiß auf schwarz“. Patmos: Begegnungen mit der Bibel im Kontext von Kultur- , in: Pietas Liturgica 16, Tübingen 2015.

* Texte aus der Heiligen Schrift sind entnommen aus der Einheitsübersetzung © 1980, Katholische Bibelanstalt GmbH.

Liste der Wort-Gottes-Feiern “Patmos”

Informationen zur Gottesdienst-Reihe “Patmos”