Una lacrima sul viso

Hingeschaut

Straße in Pompeji - Foto: Paul Georg Meister

Pompeji

Bankenrettung, Staatsverschuldung, Wirtschaftskrise: Italien ächzt unter dem Spardruck. Und wie es aussieht heißt es bald: arrivederci Kulturnation. Museen, Theatern und Opernhäusern wird der staatliche Geldhahn immer weiter zugedreht. Weltkulturerbestätten drohen zu verrotten.
Quelle: zdf-heute Sendung vom 23.4.2012, 19:00 Uhr

Una lacrima sul viso

Ich sah dich, untergegangene Stadt,
zu Füssen des Berges schlafen.
Sein Feuer- und Ascheregen ängstigte dich nicht mehr.
Hast du Frieden mit ihm geschlossen,
weil die Neugier unzähliger Augen dich tiefer verwundet
als sein todwütender Ausbruch?
 
Ich sah dich, verlassene Stadt,
mit breiten Straßenzügen ohne Handelslärm,
Atrien und Wandelgänge, die vergebens nach Dienern riefen,
Säulenstümpfe, die den grauen Himmel trugen,
gesichterleere Hausheiligtümer,
streunende Kettenhunde.
 
Ich sah dich, prachtvolle Stadt,
als du mir deine blassen Farben zeigtest,
die Göttinnen, die Liebenden, den tanzenden Faun,
ich hörte das Leben aufseufzen in tausend Liedern,
die unter den Mosaiken begraben sind.
 
Ich sah dich, geheimnisvolle Stadt am Vesuv,
und ich ziehe den Schleier des Regens
über deine gebrochenen Konturen
in pompejianisch Gold und Rot.
 
Christa Müller-Hoberg