Träume nach der Flut

Kirchen-Geschichten

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Ich weiß, dass es noch zu früh ist. Wir stecken noch immer im Staub und Dreck – oder im Bild: Wir stehen immer noch bis zum Hals im Wasser. Der Boden ist spürbar, aber das rettende Ufer haben wir noch nicht erreicht.

Und doch klingt in Gesprächen immer wieder an: “Wie wird das denn hier bei uns mal?” – “nicht mehr so schön, wie es mal war, anders!, aber schön!”…

Heute hat eine junge Frau mit mir über diese Frage gesprochen, die sie umtreibt, beschäftigt… Und ich war so angerührt, weil sie so gut (viel besser als ich) in Worte fassen konnte, was auch ich empfinde und in mir umgeht. “Die Flut hat alle Zäune und Mauern weggerissen!”, sagte sie.

WOW! Das ist mir noch gar nicht so aufgefallen. Aber es stimmt. Das Klein-Klein, das “Jeder für sich”, das Drehen-um-den-eigenen-Bauchnabel, das “Ich/wir zuerst!” – das ist doch bei ganz vielen weg …

Die Solidarität der anderen lässt uns leben.
Dass wir in der Not nicht allein sind, macht uns Hoffnung!
Wir gehen so miteinander um, wie wir es uns eigentlich wünschen:
– wir achten aufeinander,
– haben Zeit zum reden,
– fragen ehrlich nach, hören zu,
– sind achtsam für die Tränen, und zeigen unsere Verletzlichkeit,
– müssen nicht immer nur stark und unverwundbar sein,
– sagen viel öfter “Danke!”, weil so vieles uns nicht mehr selbstverständlich ist, was vorher doch “normal” war,
– teilen, wenn wir etwas haben, was anderen fehlt…

Natürlich nicht alle, aber doch bei ganz ganz vielen – und das macht mir soviel Mut!

Wenn jemand sagt: “Ich werde meine Kraft dafür einsetzen, dass wir in der Nachbarschaft auch weiter so zusammen halten!” – Das müssen wir doch behalten! Als wirkliches Geschenk dieser Tage!

Und wie sieht unsere Stadt, unser Tal aus, wenn wir die Mauern und Zäune nicht mehr aufbauen? So verbunden bleiben, wie wir es jetzt “genießen”….

Die Är… werden sich weiter um sich drehen, ihre Schäfchen ins Trockene bringen und am Ende (finanziell) womöglich noch besser dastehen als vorher…

Die vielen anderen werden – so träume ich – eine bessere Gesellschaft, mit mehr Zusammenhalt, weniger Geld, weniger Luxus, einfacher und bescheidener, aber mit mehr Freude, mehr Gelassenheit, mehr Zufriedenheit bauen, die andere anzieht. Weil es einfach verlockend ist, näher und mit der Umwelt zu leben, als gegen sie, auch wenn es den Verzicht auf etwas Lebensstandard und Luxus bedeutet. Weil es glücklicher macht zu geben als zu nehmen, die Hand zu öffnen, als grabschen, was ich kriegen kann, “koste es was es wolle”.

Es fühlt sich einfach besser an, Verantwortung für die Nahen und auch die Fernen zu übernehmen (in dem Rahmen wie es möglich ist!! – Eltern und Großeltern machen das doch so), als zu denken: “Das geht mich nichts an!” .

An diesem Traum will ich arbeiten. Und ich ahne, dass es da noch viele, viele andere mit ähnlichen Gedanken gibt. Ideen, Ansätze beim Aufbau des Hauses (wie ökologisch passiert der denn?), beim Einkaufen oder angesichts des vielen Plastiks, dass wir gerade verbrauchen (müssen).

Ich weiß, dass es auch Menschen gibt, die eine neue Form von Kirche-Sein träumen: unter den Menschen, für die Menschen, dienend, einladend für alle, um Antworten ringend mit denen, die Fragen stellen oder dicke Sorgen haben… Mit diesen Träumerinnen und Träumern will ich mich verbinden! Wo seid ihr? Wovon träumt ihr?

Lasst uns gemeinsam eine neue Zukunft bauen.
Auch wenn sie noch in einiger Entfernung liegt. Auch wenn es mühsam wird.

Pfr. Jörg Meyrer, Ahrweiler

PS: wenn der Beitrag geteilt wird, finden sich bestimmt noch mehr,
die an der Realisierung von Träumen arbeiten wollen.