Date:22. Sep 2006

Spurensuche in der Zeit

Zeichen der Zeit

 

Was sagt Gott in der Zeit? Was sagt er über die Gegenwart oder evtl. auch Zukunft unserer christlichen Religion? Was sagt er an Hoffnungsvollem? Welche Zeichen gibt es?

Der Stand der christlichen Religion ist für uns Deutsche engstens verbunden mit Nachrichten über Besucherzahlen bei Sonntagsgottesdiensten, Priester- und Ordensberufe (und andere?), Kirchenaustritte oder Wiedereintritte. Mit Zusammenlegungen von Pfarrgemeinden und mit fehlenden Finanzen. Probleme, die man zahlenmäßig und statistisch erfassen kann.

Resultat: Es wird immer schlimmer. Das wollen wir uns auch nicht nehmen lassen. Wir wollen ehrlich sein, wie wir unseren Pessimismus nennen. Dabei ist uns der relative Maßstab wenig geläufig (also der Vergleich mit anderen Ländern).

Aber: Wie es mit der (christlichen) Religion steht ist durch die genannten Kriterien noch lange nicht genügend reflektiert. Religion ist nicht einfach in Äußerem messbar. Und ist vor allem nicht in den angegebenen Kriterien allein messbar.

Welche Zeichen gibt es für die Bedeutung von Religion oder gar für deren Bedeutungszunahme in unserem Land?

Da nenne ich zum einen die Aussage von Jürgen Habermas bei der Verleihung des Friedenspreises in der Frankfurter Paulskirche vor wenigen Jahren. Zum Erstaunen aller die ihn einigermaßen kennen, redet er von der Wiederkehr der Religion bzw. davon, dass diese auch in der unmittelbaren Vergangenheit ein wichtiges Leben bei uns geführt hat. Fast eine Art Tabú-Bruch. Und ein Aufatmen. Also wir dürfen (wieder) religiös sein.

Wichtig wurde dann das viel beachtete Gespräch von Habermas und dem damaligen Kardinal Ratzinger und die große Übereinstimmung in der Feststellung, dass der freiheitliche Staat und die freiheitliche Gesellschaft von Voraussetzungen lebt, die er/sie selbst nicht schaffen können und dass da die Religion sehr wichtig ist. Ein weithin sichtbares Zeitzeichen vor allem für die Intellektuellen in unserem Land.

Dann ist für mich wichtig geworden, wie die Wochenzeitung “Die Zeit”, das auflagenstarke Blatt der deutschen Inteligentja, sich  mehr und mehr der Religion angenommen hat. Regelmäßig verschickt sie eine Beilage der evangelischen Kirche zum Thema christliche Religion, Gott, Beten, Ethik. Zu Weihnachten 2004 schreibt sie in ihrem Leitartikel, dass um die Mitte der achtziger Jahre sich eine Art Trendwende abzeichnet. Sie macht es vor allem daran fest, dass es nicht mehr dem Zeitgeist entspricht, dass man religiös-sein und dumm-sein allzu sehr identifiziert. Und dass man sich heute sehr viel leichter als gläubiger Mensch outen kann. Und 2005 (9.6.): “Die Säkuklarisierungserwartung ist in den letzten Jahren endgültig zerbrochen. (…) Es gibt eine “öffentliche Präsenz von Religion in immer neuen Facetten”.

Aber auch die Bildzeitung hat viel Religiöses ständig zu berichten. Ihre Philosophie: Das berichten, was die Leute interessiert. Also…

Ein weiteres Zeitzeichen betreffs christlicher Religion ist die ständig wachsenden Verbreitung der Ökumenischen Gottesdienste (Eröffnung der Weltausstellung in Hannover, der Fußballweltmeisterschaft in München (in welchem Land gibt es so etwas?). Am Nationalfeiertag, bei der Vereidigung von Bundeswehrsoldaten, auch bei den Bundesparteitagen der SPD. Oder bei großen Unglücksfällen.

Weithin beachtet wurde das Sterben von Johannes Paul II. und die starke Beteiligung, gerade auch der jungen Leute. Und die Amtseinführung von Benedikt XVI. Und schließlich sind die Weltjugendtage, vor allem seit Paris, dann Rom und zuletzt Köln ein wichtiges Fanal geworden, dass auch in jungen Menschen, die nicht jeden Sonntag zum Gottesdienst gehen, Gott und Kirche Bedeutung haben. Und die eigentliche Botschaft: Glaube und Fröhlichkeit passen zusammen. Das haben buchstäblich alle Interviews rund um den Weltjugendtag in Köln überrascht hervorgehoben.  

Weiter ist zu vermerken ein erstarkender Wille, das eigene Profil besser herauszuarbeiten im Zusammenhang mit den manchmal bedrohlich erscheinenden Begegnungen mit dem Islam.

Alles Zeichen, Zeichen für einen nicht genau messbaren Prozess in unserer Gesellschaft. Zeichen. Anzeichen eben.

Reden wir unsere Religion nicht kaputt. Reden wir sie lieber schön. Gründe gibt es. Und an unsere Zukunft glauben wollen wir schon auch. Das muss und darf aber auch gesagt werden.

P. Herbert King