Bild: Nicole Elß
Schweigen am Ende der Lebenszeit
Es ist ein wunderschöner Nachmittag. Die Sonne scheint sehr warm und am Himmel fliegen vereinzelt weiße Schleierwolken und malen Figuren an das Firmament. Wir sitzen draußen im Garten des Pflegeheims. Wir, meine Oma, meine Familie und ich.
Diesmal haben wir Erdbeertorte und Kaffee mit. Manchmal gibt es auch Bratwurst, Gewürzgurke oder andere leckere Sachen, die Oma gern mag.
Vor fast einem Jahr waren wir noch bei ihr zuhause, haben zusammen gekocht und gegessen, Oma erzählte dann aus ihren langen, ereignisreichen Leben. Vom Krieg und der Flucht, dem Hunger und viele andere Geschichten. Oft schauten wir zusammen die alten Fotos an. Ein kleiner Sturz veränderte alles. Es verging ein Jahr, das viele Tiefen hatte, anstrengend war und alles veränderte.
Sie hat ein schönes kleines Zimmer, viele Bilder von den Kindern, Enkeln und Urenkeln, sowie-ein paar Erinnerungsstücke.
Aber Oma ist nicht mehr dieselbe. Sie redet kaum noch. Ihre Augen schauen traurig und müde aus.
94 lange und kurze Jahre dürfen auch müde machen.
So sitzen wir dort im Garten oder in ihrem Zimmer. Ich erzähle ihr von unserem Alltag, von meinen Kindern, mache ein paar Späßchen und dann schweigen wir. Es ist nicht ein Schweigen, dass von toter Zeit spricht oder Unbehagen zeigt. Es ist ausgefüllt von gemeinsam die Zeit verbringen, in Erinnerungen schwelgen, ausgefüllt von Liebe. Für-einander da sein.
Immer wieder schaut sie auf ihre Uhr, sie wartet. Auf was? Vielleicht auf das Essen, wie viele Menschen im Seniorenheim?
Wartet sie auf das Ende?
Es gibt kaum noch Bekannte, die meisten sind schon tot. Ich halte oft ihre Hand, so wie sie mir früher die ihre gab und verbringen so die Zeit an diesem Nachmittag. Am Ende des Besuchs bringen wir sie in den Gemeinschaftsraum zum Abendessen.
Es fällt mir schwer, Oma dort abzugeben. Aber wenigstens isst (ist) sie nicht alleine.
Ich umarme sie und hoffe jedes Mal, dass wir uns wieder sehen.
06.2025
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