Schon wieder …

 Zeichen der Zeit

Leidensknecht Oberammergau - Foto: Hubertus Brantzen

Foto: spurensuche.de

Paris, Istanbul, Ankara, Brüssel … Schon wieder Terror mitten in den großen Metropolen. Zerstörung, Tod, Leid. Schon wieder Entsetzen, Wut, Trauer, Verzweiflung und die Fassungslosigkeit darüber, was Menschen Menschen antun.

Als ich die Nachricht aus Brüssel höre, bereite ich mich gerade auf einen Mittagsimpuls vor. Vor einigen Tagen habe ich den Text dafür ausgesucht, ein Gedicht von Hilde Domin. Das Schicksal des gequälten und verfolgten jüdischen Volkes sucht die jüdische Dichterin mit Blick auf das Kreuz zu deuten. Ecce Homo, das Pilatuswort aus dem Johannesevangelium, ist der Titel. Was ist eigentlich der Mensch?, ist ihre Frage. Ein Gegensatz prägt das Gedicht: Hier der einarmige Mensch, unfähig zu wahrer Menschlichkeit, der Arm mit der Hand, die zuschlägt, die Bombe zündet … Und da der gekreuzigte. Dem Nächsten zugewandt und zugleich wehrlos der Gewalt ausgeliefert, hat Jesus im Leben und Sterben Arme offen.  Für Hilde Domin trägt er damit die Züge aller Opfer von Gewalt. Deshalb hat sie das Wort gekreuzigt klein geschrieben. Wenn es Hoffnung auf ein Ende der Gewalt gibt, dann liegt sie hier, in den offenen Armen des gekreuzigten:

Ecce Homo

Weniger als die Hoffnung auf ihn
das ist der Mensch
einarmig
immer

Nur der gekreuzigte
beide Arme
weit offen
der Hier-Bin-Ich

Hilde Domin

Andreas Ruffing