Sarah Becker – Frankfurt

frau deutet mit Fingern Telefongespräch anFoto: pixabay.com

Die Angst davor, einfach mal nett zu sein

Corona war und ist ja an ziemlich Vielem Schuld: daran, dass die Enkel ihre Großeltern weniger häufig sehen und dass die Kinder so lange nicht mehr in den Kindergarten gehen konnten. Corona ist auch schuld, dass sich Freunde nicht mehr so problemlos treffen können, und Beziehungen, die Landesgrenzen überwinden müssen, haben es besonders schwer. Auch „Angst vor Beziehungsverlust“ treibt immer mehr Menschen auf die Straßen, die gegen die Corona-Regeln demonstrieren.

Anderen kommen die sozialen Einschränkungen gar nicht so ungelegen. Vielen Menschen fällt es schwer, in Beziehung mit anderen zu treten. Und da geht es nicht nur um die Angst vor einer engen Liebesbeziehung oder einer wichtigen Arbeitsbeziehung, sondern auch um die Angst, überhaupt andere Personen anzusprechen. Dass Freundschaften gar nicht erst entstehen können, weil wir uns nicht trauen, den ersten Schritt zu machen: Das können wir Corona nicht in die Schuhe schieben. Ein Beispiel:

Ich bin neu in unserer Stadt, Mutter von zwei Kindern und gerade in Elternzeit. Ich versuche also tatsächlich – nicht nur für meine Kindern, sondern auch für mich – Kontakte zu anderen Müttern zu knüpfen. Ich merke nur: Ich bin ziemlich schlecht darin. Dabei sind die Grundvoraussetzungen gar nicht schlecht: Ich bin jeden Tag auf dem Spielplatz unterwegs, der meist gut besucht ist (wenn nicht gerade Corona dazwischenkommt). Ich habe ein Baby dabei, was ein super Tür-Öffner für Smalltalk ist. Ich wohne im Einzugsgebiet von Frankfurt: Viele andere wohnen also wegen des Jobs hier und nicht, weil sie hier Familie haben. Es dürfte also nicht schwer sein, Gleichgesinnte zu finden. Und tatsächlich: Das mit dem Smalltalk läuft prächtig. Nach ein paar Monaten haben mir zwei Mütter sogar schon ihre Handynummern gegeben, weil sie entweder mal Kinderklamotten tauschen oder mich über einen möglichen Sportkurs informieren möchten. Der nächste Schritt wäre nun, mich einfach mal mit einer der beiden zu einer bestimmten Uhrzeit auf dem Spielplatz zu treffen und es nicht dem Zufall zu überlassen, wann wir uns das nächste Mal sehen. Klingt leicht, fällt mir aber unglaublich schwer.

Was denken sie dann von mir? Wirke ich nicht unglaublich verzweifelt? Denken die dann, dass ich keine Freunde habe und deshalb irgendwie seltsam sein muss? Natürlich merke ich zeitgleich, dass diese Gedanken albern sind … gehemmt bin ich trotzdem. Woran liegt es, dass ich nicht zu früh zu offen zeigen will, dass ich einen anderen Menschen sympathisch finde. Warum lege ich jedes Wort, das ich dann schließlich doch per WhatsApp verschicke auf die Goldwaage, als ginge es um eine Doktorarbeit? Und wenn nicht schnell eine Antwort kommt, dann schießt mir sofort durch den Kopf: „War ich etwas zu aufdringlich?“

Die Angst vor Ablehnung kann uns auch in Situationen, die eigentlich nichtig sind und die nahezu folgenlos bleiben, stark einschränken und unsicher werden lassen. Wir fühlen uns entblößt, wenn wir offen sagen, dass uns eine Freundschaft viel bedeutet oder dass wir den anderen gerne wiedersehen würden. Was, wenn der andere eben nicht so denkt?

Sein Pech, muss die Antwort darauf lauten, und ich übe sie auch fleißig. Denn wenn wir selbstsicher sein wollen, dann müssen wir uns von der Meinung anderer unabhängig machen. Und das Schöne ist ja: In den allermeisten Fällen geht es unserem Gegenüber genauso und er ist einfach froh, dass jemand den ersten Schritt gemacht hat.

In der kommenden Woche bin ich jedenfalls gut beschäftigt … zwei Mami-Dates stehen an.

 

Sarah Becker, Fachjournalistin Frankfurt