Fotos: Klaus Glas
Dieser Tage war ich in einem Einkaufszentrum. Da ich eine längere Anfahrt hatte, musste ich das stille Örtchen aufsuchen. Ich suchte den Zugang zum Männerklo und stutzte: es gab zwar zwei Türen, aber ohne die üblichen geschlechterbezogenen Hinweise. Auf einer Tür stand nur „bla“, auf der anderen sage und schreibe 14 mal „bla“.
Reden Frauen tatsächlich so viel mehr als Männer? Kleine Mädchen sind Studien zufolge verbal kompetenter als Jungen. In der Schule haben sie beispielsweise weniger Schwierigkeiten beim Lesenlernen. „Frauen bilden längere Sätze und zeigen sich generell redegewandter (sofern sie nicht von Männern unterbrochen werden!)“, schreibt Doris-Bischof-Köhler in ihrem Buch „Von Natur aus anders“.
Die Psychologen Anne Milek und Matthias Mehl wollten es genauer wissen. Im Jahr 2007
führten sie eine Beobachtungs-Studie durch. Sie gaben rund 400 Studierenden einen tragbaren Audiorekorder mit, der unbemerkt mehrmals in der Stunde jeweils eine halbe Minute alles aufzeichnete, was die Frauen und Männer von sich gaben.
Die Auswertung der akustischen Aufzeichnungen ergab zweierlei. Zum einen wurde festgestellt, dass sich die Gesprächigkeit von Frauen und Männern nicht nennenswert unterschied; sowohl die weiblichen als auch die männlichen Studierenden sprachen etwa 16 000 Wörter aus. Zum anderen konnte man sehr große individuelle Unterschiede feststellen. Und zwar unabhängig von deren Geschlecht! Der schweigsamste Teilnehmer war ein Mann. Er brachte im Untersuchungszeitraum gerade mal 800 Wörter über seine Lippen. Die gesprächigste Person war ebenfalls ein Mann. Bei ihm wurden mehr als 47 000 Wörter aufgezeichnet. Die Ergebnisse widersprechen dem gängigen Geschlechterstereotyp, nach dem Frauen Labertaschen und Männer stumme Ochsen sind.
Schaut man nicht nur auf die Quantität geprochener Worte, sondern auf deren Sinngehalt, stellt man einen Geschlechtsunterschied fest: Frauen sind mehr an Menschen interessiert, Männer eher an beruflichen Dingen, bei denen es um Macht geht. Nach Milek und Mehl haben Männer höhere Redeanteile in solchen Situationen, in denen es auf Dominanz und Durchsetzungskraft ankommt. Frauen hingegen haben verbal die Nase vorn, wenn es um die Kommunikation in Ehe und Familie geht. Typischerweise bringen sie Konfliktthemen in der Paarbeziehung frühzeitiger und deutlicher zur Sprache als ihre Männer.
Mit diesem Wissen könnte man die Redensart „Ein Mann: ein Wort, eine Frau: ein Wörterbuch“ eigentlich ad acta legen, oder?
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