Date:26. Sep 2012

„Philosophen entdecken das Gefühl“

Zeichen der Zeit

Freundschaftsschlösser an einem Gitter - Foto: Ruth Rudolph - pixelio

Foto: Ruth Rudolph – pixelio.de

„Vernunft ist nicht mehr alles: Empfindungen wie Liebe, Scham oder Mitleid werden neu diskutiert. Die Philosophie kümmert sich wieder um das Herz der Menschen.” So “Die Zeit” vom 6.9.2012 mit großen Lettern gleich auf ihrer ersten Seite. Aus dem Beitrag im Innern des Blattes zitiere ich den einen oder anderen Satz.

„Heute weiß die Philosophie, dass Gefühle nicht der böse Gegenspieler der Vernunft sind. Sie können selbst auch sehr vernünftig sein“ (Martin Hartmann, Professor für Philosophie in Luzern).
„Wir leben nun glücklicherweise nicht mehr in Zeiten, in denen Gefühle verschwiegen werden müssen“ (Wilhelm Schmid, „Experte für Lebenskunst“). „Der Geist entdeckt die Gefühle neu: Vernunft und Emotionen sind kein scharfer Gegensatz mehr. Philosophen, Historiker, Sozialwissenschaftler wollen die Stimme des Gefühls verstehen, die Individuen und Gesellschaften prägt.“

Zwischenfrage: Tun Theologen dies auch?

Weiter: „Bereit, über das eigene Leben zu sprechen, die eigenen Gefühle.“ „Die Leitfunktion von Vernunft sei so falsch wie die Leitfunktion von Gefühlen. ‘Beide sind Erkenntnisinstrumente, beide sollten wir heranziehen.’“ „Es gibt es wirklich das berühmte Bauchgefühl.“
Unterscheide Gefühl und Gespür: „Das Gespür ist das ausgebildete Gefühl, es wächst mit unserer Erfahrung und der Besinnung auf Erfahrung.“ „Ich mag meine Gefühle. Mit sich selbst befreundet zu sein, heißt sich mit seinen Gefühlen zu befreunden.“ „Seine Seele baumeln lassen.“ „Ein paar Tränen müssen immer sein, am besten öffentlich.“

Und weiter: „Die Zeit scheint reif, mit einem hartnäckigen Vorurteil aufzuräumen: Philosophie und Gefühl – das gehe nicht zusammen. Es geht zusammen. und wie! Philosophische Werke zum Thema sprießen aus dem Boden, unzählige Tagungen und Aufsätze widmen sich nicht nur dem Gefühlsphänomen an sich, sondern auch einzelnen Gefühlen wie Scham, Schuld, Neid, Furcht, Hass, Liebe oder Empörung…Gefühle sind auch in der Philosophie in Mode…Die ungeheure Popularität der Rede von ’emotionaler Intelligenz’ hat hier ihre Quellen….das sperrige Zauberwort, das die Philosophie hier gefunden hat, heißt kognitiver Gehalt” (Martin Hartmann). Wissenschaftlich gesehen sind die Gefühle heute der letzte dunkle Kontinent, den es zu entdecken gilt” (Ute Frevert).“

Meine Frage: Haben Theologie und das kirchliche Lehramt dies auch schon entdeckt? Hat es die von diesen geleitete und inspirierte Pastoral? Geht es außer um Glaube und Vernunft nicht auch (und vielleicht vorrangig) um Glaube und Gefühl/Gespür. Wenn demnächst die Bischofs-Synode in Rom über Neu-Evangelisierung verhandelt, so ist zu befürchten, dass das Thema Glaube und Vernunft die eigentliche Rolle spielen könnte. Und damit wieder einmal eine Chance verpasst werden könnte. Doch wir brauchen für unser Tun ja nicht unbedingt eine Synode abzuwarten. Tun und entwickeln wir selbst das Richtige.

Herbert King