Foto: Anne-Madeleine Plum
Reihe: Blick auf die Kirche – Innenansichten – 2. Beitrag
Es ist früh am Morgen, ein regnerischer Tag in der Domstadt. Die Sommersonne will sich nicht zeigen, die Temperaturen sind kühl und so gar nicht himmelfahrtlich. Die Parkuhren verlangen noch kein Geld, die Markstände werden gerade erst aufgebaut. Über die vom Regen glänzenden Pflastersteine eilen leichte Schritte. Eine junge Ordensschwester läuft zielstrebig zur halboffenen Domtür. Eine ältere Schwester nimmt denselben Weg, mit mühsameren Schritten. Man kennt sich, grüßt lächelnd und betritt den Dom. Für Konversation ist keine Zeit, die Messe beginnt in wenigen Minuten. Das Innere des Domes strahlt majestätische Ruhe aus. Vor dem Altar ein kurzer Gruß mit dem Kopf, ein froher Blick zu den zahlreichen Kerzen, die schon vor der berühmten schönen Madonna brennen, es ist ihr Festtag. Vorbei am Ewigen Licht, das endlich wieder hängen darf. Eine rasche Kniebeuge, so selbstverständlich wie ein „Guten Morgen, Herr“. Die junge Ordensfrau geht ihren Weg rasch und doch nicht gewohnheitsmäßig.
In der wunderschönen Kapelle ist die Gottesdienstgemeinde schon versammelt, nur wenige Plätze bleiben leer. Eine Bankreihe füllen Ordensschwestern. Hinter ihnen Hausfrauen, ältere Damen, seriöse Herren, ein junger Schwarzafrikaner mit Rucksack kniet vor dem Marienbild. Ein alter Priester zieht ein. Er feiert eine würdige Messe, mit einführenden Worten, aber ohne Predigt und, ach, ohne ein Lied. Und doch führt dieser Gottesdienst in die Tiefe des unergründlichen Geheimnisses. Gott verschenkt sich, schenkt sich uns.
Hier hustet keiner, hier ist kein Fünkchen Nervosität oder gar Langeweile zu spüren. Alle Blicke sind nach vorn gerichtet. Zum Empfang der Kommunion lässt man sich gegenseitig den Vortritt. Keiner ist in Eile. Der junge Afrikaner wird nur für Bruchteile von Sekunden angeschaut. Für wen er so innig betet, fragt man sich. Aber er ist trotz seiner Jugend einer von uns. Die Besucher hier sind keine Besucher, sondern Beter. Wie wenig Worte muss man machen, wenn alle den Wert des Schweigens kennen. Wie wenig an Zugaben braucht es, wenn die große Gabe von allen erkannt wird.
Wie schön, wenn es bald wieder so sein könnte. Eine ganze Bankreihe voll. Und Gesichter, in die man blicken kann.
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