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Sprache kann verzerren und Konflikte anheizen:
Die Kommentare des türkischen Präsidenten zu den in Deutschland geplanten und nun abgesagten Veranstaltungen an verschiedenen Orten zeigen es in diesen Tagen auf eindrucksvolle Weise.
Sprache kann verharmlosen:
Wer die rechtsradikalen Übergriffe in Freital/Sachsen als „Dumme-Jungen-Streiche“ qualifiziert, wird den Leiden derer nicht gerecht, die Opfer solcher Anschläge wurden.
Sprache kann helfen, zu differenzieren:
Gerade angesichts der aktuellen Spannungen sind wir herausgefordert, gut abzuwägen, wo droht wirklich Gefahr, was sind die Ursachen und welche Lösungsansätze zeigen sich?
Sprache kann neue Perspektiven eröffnen:
Vorletzte Woche war ich mit einer Pilgergruppe junger Erwachsener in Jerusalem. Beeindruckt hat uns unter anderem die Begegnung mit einer Ordensfrau der „Kleinen Schwestern“, die jahrelang mit den Mönchen in Tibhirine/Algerien zusammen gearbeitet hatte. Vielen ist die Geschichte dieses Klosters vertraut aus dem Film „Von Menschen und Göttern“. Bereits Anfang der 90er Jahre war das Kloster französischer Trappisten zwischen die Fronten von Regierungstruppen und islamistischen Rebellengruppen geraten. Letztere hatten sich in den Bergen um das Kloster verschanzt. Ein erster Übergriff ließ die Lebensbedrohung spürbar werden, in welcher sich das Kloster befand. Wie auch der Film gut darstellt, analysierten die Mönche ihre Situation genau. Gerade auf diesem Hintergrund war es für sie sehr wichtig, bis in die Sprache hinein zu einer Haltung der Versöhnung zu finden. „Brüder der Berge“ nannten sie die Rebellen und „Brüder der Ebene“ die Regierungstruppen. Bei allem Widerspruch und aller Gefahr, wollten sie im Anderen zuerst den Bruder und die Schwester sehen. Schließlich wurden die Mönche verschleppt und ermordet – bis heute ist unklar, ob die Täter „Brüder der Berge“ oder „Brüder der Ebene“ waren.
Sprache kann inspirieren:
Das Zeugnis der Brüder von Tibhirine wirkt weiter, ihre Worte klingen nach in den Herzen vieler Menschen – bis heute. Sie sind für viele Ermutigung, sich auch heute aktiv für den Dialog und für Versöhnung einzusetzen. Fastenzeit: Eine Zeit, um mich zu entscheiden: Welchen Worten gebe ich in meinem Herzen welche Kraft?
Weihbischof Dr. Michael Gerber, Freiburg