Martin Walser: Glaube ist …

Kunst und Kultur

Buchcover

Eigentlich geht es in Martin Walsers Roman „Muttersohn“ um Anton Percy Schlugen, den charismatischer Krankenpfleger im psychiatrischen Landeskrankenhaus Scherblingen. Der Roman lebt durch die geschilderten vielfältigen Beziehungen Percys zu Mitmenschen, unter anderem zu seinem Förderer, dem Chefarzt Professor August Feinlein. Dieser interessante Zweitgenosse hat mit 63 aufgehört, seine Lebensjahre zu zählen. Feinlein ist ein etwas verschrobener Reliquiensammler und hat seine eigenen Vorstellungen vom Glauben. Er schafft sich seine Glaubenswelt, was er unter anderem so ausdrückt:

 „Glauben heißt, Berge besteigen, die es nicht gibt.“
Oder: „Glauben lernt man nur, wenn einem nichts anderes übrig bleibt.“
Im Blick auf die Reliquien formuliert er: „Nur durch den Glauben werden sie echt.“

Damit steigt Walser in das Lebens- und Glaubensgefühl vieler unserer Zeitgenossen ein. Und für die Diskussionsfreudigen hinterlässt er die Frage: Ist Glaube vielleicht doch nur ein Konstruktion der Wirklichkeit, die man auch ganz anders sehen kann?

Hubertus Brantzen