Markus Hauck, Würzburg

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Unter der Fahne des Christlichen

11.04.2018

Gott allein die Ehre. Es ist fast ein Hohn, wenn Viktor Órban nach dem deutlichen Sieg seiner Fidesz-Partei am Ende seiner Siegesrede am vergangenen Sonntag Gott erwähnt. Und es hat nochmals einen komischen Unterton, wenn er, der hinter jedem Ausländer, vor allem muslimischen Glaubens, einen potenziellen Straf- oder Attentäter sieht, diese Anrufung Gottes in einer Fremdsprache tätigt, selbst wenn es Latein, die universelle Sprache der römisch-katholischen Kirche, ist.

Wie schon beim letzten Mal hat der Populist Órban seinen Wahlkampf auch diesmal damit befeuert, dass er die diffusen Ängste der Ungarn vor Überfremdung und kriminellen Ausländern auf allen Kanälen geschürt hat. Das ging diesmal noch eine Spur leichter als beim letzten Mal, da es unabhängigen Journalismus dank staatlicher Repressalien in diesem Land praktisch nicht mehr gibt.   

Sein Triumph ist in vielfacher Hinsicht eine Herausforderung für die Europäische Union in ihrer Rolle als Garant von Rechtsstaatlichkeit und freiheitlicher Demokratie. Nicht nur den Medien, auch der Justiz, die in einem Rechtsstaat unabhängig sein muss, hat Orban inzwischen seine parteipolitische Räson aufgezwängt. Vielfalt ist in Ungarn abgeschafft.

Wo keine Freiheit mehr herrscht, kann sich plumpe Propaganda umso leichter durchsetzen. Órban freut sich über die boomende Wirtschaft in seinem Land. Das aber würde ohne Fördergelder aus Brüssel nicht halb so gut dastehen. Darüber aber schweigt der starke Mann in Ungarn. Gebetsmühlenartig warnt er vor einer islamischen Invasion in sein Land. Dabei hat Órban Ungarn wie eine Festung abgeriegelt. Die wenigen Flüchtlinge, die es dennoch ins Land schaffen, werden unmenschlich behandelt. Er hetzte im Wahlkampf und auch davor gegen den Investor George Soros, den er als geheime Großmacht hinter der vermeintlich organisierten Migration nach Europa anprangert. Für diese antisemitisch gefärbte Verschwörungstheorie gibt es bislang keine Belege. Aber sie fällt in dem Land, das unter anderem lange Zeit von der KuK-Monarchie beherrscht wurde, auf fruchtbaren Boden. Wunden aus der Vergangenheit lassen sich eben leicht wieder aufreißen.

Das Problem für Europa ist aber noch größer: Sein Sieg lockt schon jetzt viele Nachahmer aus der Reserve. Schon lange haben die Polen angefangen, nach Órbans Vorbild die Justiz der eigenen Ideologie gefügig zu machen, andere Staaten des früheren Ostblocks zeigen ähnliche Auswüchse. Wer Órban zur Vernunft bringen möchte, um diesen Dammbruch vielleicht noch zu stoppen, muss handeln, bevor es zu spät ist.

Warum duldet es beispielsweise die CDU um Kanzlerin Angela Merkel, dass die ungarische Fidesz-Partei noch immer Mitglied in der Fraktion der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) ist? Warum loben Bundesinnenminister Horst Seehofer, dessen Kerngeschäft die Verteidigung der Freiheit, der Inneren Sicherheit und des Grundgesetzes sein müsste (von demokratischen Grundsätzen wie Gewaltenteilung und Pressefreiheit mal ganz zu schweigen), und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt die Partei von Órban? Das ist weder christlich, noch demokratisch – und auch ganz sicher nicht sozial. Gerade als Christen müssen wir aufstehen, wenn Politiker unter der Fahne des vermeintlich Christlichen wesentliche Werte unseres christlichen Menschenbildes verkaufen. Heute dringender als je seit dem Zweiten Weltkrieg.

 

Markus Hauck
Leiter der Pressestelle des Bistums Würzburg

Kommentar aus: basis-online.net