Markus Hauck, Würzburg

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Von faulen Äpfeln, die die ganze Kiste anstecken

Skandalöses Verhalten wie Partys in 10 Downing Street während des totalen Lockdowns in Großbritannien abstreiten, obwohl diese durch Zeugen und Videoaufnahmen belegt ist. Die eigene Unersetzbarkeit betonen, um damit alle Kritiker in den eigenen Reihen zum Schweigen zu bringen. Lange genug schien der britische Premier Boris Johnson mit dieser Taktik durchzukommen. Jetzt hat er angekündigt, auf den Vorsitz der Conservative Party zu verzichten und damit mittelfristig den Weg freizumachen für eine neue Person an der Spitze des Inselstaats.

Für mich stellt sich angesichts des schmerzvollen Theaters die Frage: Wo sind die Verantwortungsträger in Politik, Gesellschaft und auch Kirche, die ernsthaft und glaubwürdig für das einstehen, was sie selbst einfordern. Die, wenn sie Wasser predigen, es auch selbst trinken, statt sich Wein zu genehmigen, und, um im Bild zu bleiben, weil sie sich das gönnen zu müssen glauben, auch noch ein opulentes Mahl als selbstverständliche Dreingabe betrachten.

Ich jedenfalls nehme eine deutliche Diskrepanz zwischen der beinahe schon obszön alltäglichen Skandalisierung aller möglichen Dinge (zum Beispiel in den Sozialen Medien) einerseits und der Nicht-Reaktion von Entscheiderinnen und Entscheidern auf der anderen Seite wahr. Einst trat Bundestagspräsident Philipp Jenninger zurück, weil er, zugegebenermaßen sehr ungeschickt, ein Zitat aus Zeiten des Nationalsozialismus in seiner Rede nicht als solches gekennzeichnet hat.
Heute sind reihenweise Politiker noch in ihren Funktionen, die wirklich dubiose Handlungen zu verantworten haben – seien es Aktiengeschäfte zum eigenen Vorteil, vorschnell abgeschlossene Verträge mit potentiellen Mautbetreibern oder Personal und Einkaufsplanungen, die der Bundeswehr mehr geschadet als genutzt haben. Die Liste ließe sich sicher noch fortsetzen.

Ich habe in der Jugendarbeit gelernt, dass ich nur Dinge von anderen erwarten kann, die ich auch selbst vorlebe. Wenn Verantwortungsträger sich beklagen, dass sie keine Nachfolger finden und ihr Ruf in der Öffentlichkeit schlecht ist, dann ist mir die Causa Johnson einmal mehr Anlass, zu mehr Selbstkritik aufzurufen. Auch deswegen, weil jeder von uns sicher aus eigener Erfahrung auch Menschen kennt, die integer und glaubwürdig für andere Verantwortung tragen und ihre Pflichten ernst nehmen.

Es ist nur auch hier wie in vielen anderen Dingen so: Ein fauler Apfel ruiniert im Zweifelsfall schnell den Ruf der ganzen Kiste. Und nein, ich erwarte von niemand, dass er oder sie fehlerfrei durch zweifellos mitunter auch stressige Zeit marschiert. Aber jeder sollte so ehrlich mit sich und anderen sein, einen Fehler auch als solchen zu benennen und bei Bedarf auch die Konsequenzen daraus zu ziehen. Wahre Größe zeigt sich eben auch in den Momenten, in denen man sich nicht in Großtaten sonnen kann.

Markus Hauck
Leiter der Pressestelle des Bistums Würzburg

Kommentar aus: basis-online.net